Am Plostad Makedonija

Luftzug. Literaturkolumne von Anna Weidenholzer.

Es ist diese eine Woche im Jahr, wo es unfassbar schnell passiert, dass die Welt herum hellgrün wird. Praterblätter, Praterblüten, denke ich, als ich durch Skopje gehe und an einer Gänseblümchenwiese vorbeikomme. Eine Frau sitzt auf einer Bank, ein Hund läuft vorbei, eine gelbe Marke im Ohr, ein Boxer an der Leine schaut ihm nach. Zwei Mal links und dann geradeaus, sagte der Rezeptionist, er sagte: It’s my birthday, und hielt eine Packung Pralinen über den Tisch.
Vor meinem Abflug habe ich über das Projekt «Skopje 2014» gelesen, jenes Bauvorhaben der nationalkonservativen Regierungspartei VMRO, das der Stadt neuen historischen Glanz bringen und die nationale Identität stärken soll. Viel Neobarock, viele Heldenstatuen, vorwiegend ethnischen Mazedoniern gewidmet, was Teile der albanischen Volksgruppe aufbrachte, die rund ein Viertel der Bevölkerung ausmacht. Zwanzig Gebäude und vierzig Monumente sollen in fünf Jahren hochgezogen werden, die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, aber weit fortgeschritten.

Historischer Kitsch, Filmkulisse, Disneyland, habe ich gelesen, und trotzdem erwischt es mich zum zweiten Mal mit voller Wucht, als ich zurück auf den Plostad Makedonija komme. Der Fahrer, der mich zuvor vom Flughafen zum Hotel brachte, zeigte mir den Hauptplatz im Schnelldurchlauf. Wir durchquerten den neuen Triumphbogen, und dann sahen wir ihn, auf einem mächtigen Pferd streckt Alexander der Große in zwanzig Metern Höhe ein Schwert in die Luft, rundherum Absperrgitter. Es wird weiter gebaut und renoviert, die Häuser sollen Fassaden bekommen, die an das Ende des 19. Jahrhunderts erinnern und nicht an die Zeit der 1960er- und 1970er-Jahre, jene Zeit, in der Skopje nach dem schweren Erdbeben zum Versuchslabor für den sozialutopischen Städtebau wurde.

Am Ufer des Vardar reihen sich all die Neubauten aneinander, das Nationaltheater, das Museum des mazedonischen Kampfes, das Archäologische Museum, in den Fluss wurden drei gigantische Gastronomieschiffe betoniert. Eine Filmkulisse, ein Disneyland, nur dass das hier kein Vergnügungspark, sondern ein Stadtzentrum ist, das eine neue Vergangenheit bekommt. Geblieben ist die alte Steinbrücke, die hinüber in die Altstadt führt. Auf 200 Millionen Euro wird das Projekt geschätzt, sagte der Fahrer, als wir von der Brücke auf den Hauptplatz blickten, aber wie viel es tatsächlich kostet, wisse niemand. Dass die Arbeitslosigkeit sehr hoch sei, erzählte er, sie liegt bei dreißig Prozent. Hier, der Mutterbrunnen, hier Philipp II., der Vater Alexanders des Großen. Dort wird noch ein Hotel gebaut, er zeigte wieder auf die andere Seite des Flusses, und irgendwo ein Riesenrad, ich weiß nicht, wohin.

Anna Weidenholzer ist Autorin, lebt und arbeitet in Wien und Linz.

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