Bilder aus Bulgarien

In Ruse an der Donau lief ein Straßenhund die Promenade entlang, warteten die Angler auf einen Fang, saß ich auf einer Parkbank über Herbstlaub und konnte mich nicht von der Donau lösen. Zwei Bänke weiter starrte ein Mann im Jogginganzug abwechselnd auf den Fluss und die wenigen Leute, die an ihm vorüber spazierten. Er streckte sich und steuerte meine Bank an, er wandte sich ab, als ich zu ihm aufblickte. Ein anderer ging nahe am Wasser, schaute und hielt alle paar Sekunden sein Telefon in die Luft, um zu fotografieren. Drüben, auf der anderen Seite, lag Rumänien, die Grenze verläuft quer durch den Fluss. Wir konnten hinüberschauen, die Donau hielt keine Blicke auf.

Es war ein wolkenverhangener Herbsttag, eintausendsechshundertvierzig Kilometer stromabwärts von Linz, Kinder waren von dem nahegelegenen Spielplatz zu hören, Regen lag in der Luft. Gestern noch habe es über zwanzig Grad gehabt, hatten die freundlichen Frauen von der Elias Canetti Gesellschaft erzählt. Ich schaute auf die Donau und überlegte, wie kalt das Wasser sein dürfte, als ich einen älteren Angler sah, der nur mit einer weißen Unterhose und einem Wollpullover bekleidet eine Boje einholte. Die Boje war rot, sie leuchtete im Wasser, das ihm bis zum Bauch reichte und den Stoff seiner Unterhose durchsichtig werden ließ. Ich setze meinen Weg fort und bemerkte eine Gruppe Radfahrer, die sich gegenseitig vor der Donau fotografierten. Ihre Helme nahmen sie dazu nicht ab, sie setzten ein Lächeln auf.

Auf meinem Rückweg begegnete ich wieder dem Angler, der mittlerweile mit einer Hose bekleidet war. Er kniete am Ufer und wusch seine Unterhose, er wrang sie aus und steckte sie in die Hosentasche. Beim aufgelassenen Bahnhof überquerte ich die Gleise. Ich traf auf ein Pärchen, der Mann hielt einen dunkelblauen Regenschirm in der Hand, er hob ihn, um der Frau zu zeigen, in welcher Richtung der Fluss lag, er hielt ihn lange hoch, wie einen Speer zum Angriff gezückt. Vielleicht erzählte er auch von der Grenze zu Rumänien. Vielleicht schauten in Wirklichkeit alle gespannt nach Rumänien und die Donau war lediglich ein graues Band, das dazwischen lag, ich weiß es nicht. Jedenfalls liefen die Katzenkinder wie Tauben herum.

 

Anna Weidenholzer ist Autorin, lebt und arbeitet in Wien und Linz.

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