Kommunale Intelligenz. Potenzialentfaltung in Städten und Gemeinden

Eines gleich vorweg: Der Titel des Buches verspricht mehr als es hält und ich bin nicht ganz sicher, was der «Hirnforscher» Gerald Hüther eigentlich sagen will. Aber ich versuche mal, es zu beschreiben: Für Hüther sind Kommunen heute das, was früher einmal die Großfamilien waren, nämlich Erfahrungsräume, in denen Kinder, aber auch Erwachsene, die wichtigsten sozialen Kompetenzen erwerben, um gemeinsam Probleme zu bewältigen, kreative Potenziale auszuschöpfen und ihr Lebensumfeld aktiv mitzugestalten. Nur hier können sie ihre Begabungen entdecken, sich einbringen und ein wertgeschätzter Teil der Gemeinschaft werden. Und davon hätten alle was: mehr Produktivität, glücklichere Menschen und innovativere Problemlösungen. Eine Kommune, die das ermöglicht, verfügt über kommunale Intelligenz, sie bleibt ein attraktiver Lebensraum und auch langfristig überlebensfähig. Die Realität sieht freilich anders aus: Viele Gemeinden sind heute reine Verwaltungseinheiten, die von einer Ansammlung egozentrischer Besitzstandswahrerinnen bewohnt werden und leiden deshalb unter Abwanderung, struktureller Ausdünnung und chronischer Unterfinanzierung. Soweit die Diagnose des Bestseller-Autors. Bei der Therapie bleibt Hüther aber vage, denn über Allgemeinplätze und einige Denkanstöße kommt das Buch leider nicht hinaus. Wiewohl der Autor dick aufträgt, denn er fordert nichts weniger als einen umfassenden Kultur- und Beziehungswandel, der die Menschen wieder dazu bringt, sich für ihren gemeinsamen Lebensraum zu interessieren und ihn aktiv mitzugestalten. Wie das genau passieren soll, lässt Hüther offen, sieht man von einigen Verweisen auf «Community- Education» und Appellen an die Leserinnen ab, am besten noch heute damit zu beginnen, sich für den Nachbarn zu interessieren. Man bekommt schnell das Gefühl, es hätte keine 125 Seiten gebraucht, um uns das mitzuteilen. Warum Hüther mit seinen Büchern derart erfolgreich ist, liegt wohl vor allem am Nimbus des Hirnforschers, der seinen Thesen zwangsläufig Gewicht verleiht – zu Unrecht, wie Kritiker meinen, denn Hüther habe schon lange nicht mehr wissenschaftlich publiziert und eigentlich auch nicht wirklich zu diesen Themen geforscht. Es reicht aber anscheinend, hin und wieder neurobiologische Fachbegriffe einzustreuen und Parallelen zwischen der Funktionsweise des Gehirns und einer Kommune zu ziehen, um den Anschein einer empirischen Grundlage zu erwecken. Mit dieser Methode ist Hüther ein Medienstar geworden und tingelt als Aushängeschild einer Gruppe von «Bildungsgurus» durch die deutschen Talk-Shows. Die Welt retten wird auch er nicht, aber wer auf Gurus und einfache Antworten steht, wird mit dem Buch durchaus Freude haben.

 

 

Gerald Hüther: Kommunale Intelligenz. Potenzialentfaltung in Städten und Gemeinden, edition Körber- Stiftung, 2013.

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