Was ist mir wichtig?

Ehrgeiz hat viele Gesichter und viele davon kennt auch Andrea Stift-Laube, die sich im Rahmen der Essay-Reihe Übermorgen von Kremayr & Scheriau mit ihnen auseinandergesetzt und dafür auch tief in die autobiografische Schublade gegriffen hat. Die Autorin erzählt von peinlichen Bankterminen, bei denen sie um Geld bitten musste, das sie nicht hatte, von Bühnensituationen, in denen sie mit einem akademischen Titel vorgestellt wurde, den sie nicht hatte (aber gerne gehabt hätte), von der Angst der Schriftsteller*innen vor dem Vergessenwerden und dem damit verbundenen Druck, regelmäßig zu publizieren, und davon, was das alles mit Ehrgeiz zu tun hat. Diese Offenheit berührt. Besonders das Kapitel „Vom Ehrgeiz, schreibend zu leben“, in dem sie über den Literaturbetrieb und seine Wirkkräfte reflektiert, ist gelungen, weil es so ehrlich und kritisch von der Lebensrealität von Künstler*innen berichtet. Stift-Laube überlegt aber noch weiter: Ob erschummelte Schulleistungen sich gut anfühlen, welcher Ehrgeiz die Superreichen antreibt und welcher Alexander den Großen? Und weil es ein Buch der Gegenwart ist, fehlen auch Gedanken über Selbstoptimierung, Produktivität und Burn-out nicht. Der Essay postuliert, dass „jede*r von uns einen großen oder auch kleinen Ehrgeiz sein*ihr Eigen nennt“, aber er macht keinen Druck, ist keiner dieser Motivations-Ratgeber, im Gegenteil. Vielmehr lädt er zum Hinterfragen ein: Was will ich und warum? Was ist mir wichtig? Ehrgeiz liefert viele Denkanstöße zu Themen wie Produktivität, Bildung, Nachhaltigkeit etc. Und so interessant es ist, aufgezeigt zu bekommen, wie sehr Ehrgeiz uns alle betrifft, so sehr führt dieses breite Spektrum auch zu einer gewissen Oberflächlichkeit, in der einiges nur angerissen wird. Das ist schade, denn Andrea Stift-Laube hat kluge Ideen und verknüpft sie interessant, aber viele Sichtweisen werden nicht zu Ende gedacht. Manche Anekdoten sind genau das: gut geschriebene Szenen, die in Erinnerung bleiben, aber ihnen fehlt der größere Kontext. Vielleicht ist das auch wieder der Ehrgeiz: alles unterbringen zu wollen, was man weiß und wichtig findet.

Andrea Stift-Laube, Ehrgeiz, Kremayr & Scheriau 2023, 112 Seiten.

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