Das Wien-Ministerium

Dass das österreichische Kulturministerium einen starken Wien-Bias hat, war bekannt. Dessen Ausmaß überrascht aber dennoch. Thomas Diesenreiter hat sich die Verteilung der Fördermittel des Bundes genauer angeschaut.

Vorweg das Lob: Das Kulturministerium veröffentlicht seit Jahrzehnten einen detaillierten 500-seitigen Förderbericht mit vielen begleitenden Zahlen und Statistiken. Eine Statistik war bisher darin aber nicht enthalten: Jene, wie die Fördermittel auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt werden. Auf Nachfrage hat uns das BMKOES nun diese Daten freundlicherweise zur Verfügung gestellt, die wir hiermit erstmals visualisiert und kommentiert veröffentlichen können.

Ein Appell für gerechte Förderverteilung
Die Kulturszene in Österreich ist vielfältig und reich an Talenten, doch ein Missstand, der seit Jahren besteht, macht es Kunst- und Kulturtätigen in Oberösterreich schwerer, ähnliche Förderungen für ihr Tun zu bekommen, wie vergleichbare Kolleg*innen aus Wien. Drei Aspekte stechen dabei besonders heraus:

1. Benachteiligung durch selektive Kriterien
Die Vergabe von Förderungen für Kunst und Kultur durch den Bund leidet unter einem zentralen Problem: Die gegenwärtigen Förderkriterien des Bundes bevorzugen Kunst und Kultur, die in Wien zu Hause ist und ein Großstadtpublikum voraussetzt. Dies schafft eine unfaire Hürde für diejenigen, die außerhalb der Hauptstadt tätig sind. Kulturprogramme in einer kleinen Gemeinde am Land sehen naturgemäß anders aus, als jene in einer 2-Millionen-Metropole – sie haben es auch schwerer, das entsprechende Publikum zu finden. Und es ist kaum vorstellbar, dass nur 3 % aller förderwürdigen Musiker*innen in Oberösterreich leben – oder 2 % der Literat*innen.

Es ist an der Zeit, dass die Fördergeber*innen ihre Auswahlkriterien kritisch überprüfen und sicherstellen, dass sie die Vielfalt der österreichischen Kulturszene angemessen berücksichtigen. Dies bedeutet, die Fähigkeit und das Potenzial von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen in ganz Österreich zu würdigen, unabhängig von ihrem geografischen Standort.

2. Nähe bringt’s
Ein weiteres schwerwiegendes Hindernis für Kunst- und Kulturinitiativen in Oberösterreich ist die physische Nähe von Institutionen und Organisationen in Wien zum Bundesministerium. Diese Nähe ermöglicht es den Akteur*innen in Wien, leichter Zugang zu Entscheidungsträger*innen und eben auch zu Fördermitteln zu erhalten. Dies führt dazu, dass

Gelder oft bevorzugt von Wien nach Wien fließen, während Projekte und Initiativen in anderen Bundesländern benachteiligt werden. Alleine die Tatsache, dass der größte Teil der Gelder in die Bundeseinrichtungen geht, ist ein riesiger Vorteil für Wien: Sowohl die Bundestheater, auf die 34,7 % des Förderbudgets entfallen, als auch die Bundesmuseen, die immerhin 21,5 % erhalten, sind allesamt in Wien verortet (vgl. Grafik 1 „Bundesförderbudget Kunst und Kultur (BMKOES)“). Aber auch in den bundesländerspezifischen Förderungen gibt es diesen Bias: Ganze 78 % dieser Förderungen im Bereich der Darstellenden Kunst gehen nach Wien, ebenso wie 67 % der Gelder für Bildende Kunst und Fotografie.

Fördergeber*innen müssen also dringend ihren Blick über den Tellerrand hinaus richten und verstehen, dass es nicht ausreicht, nur in die unmittelbare geografische Nähe auf bereits Bekanntes oder das vorhandene Netzwerk zu schauen.

3. Kunst- und Kulturförderung als Ländersache
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Kunst- und Kulturförderung eigentlich in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt. Der Bund fördert daher nur Projekte, die „überregionale Relevanz“ haben. Ob die Wiener Kunst und Kultur tatsächlich so viel öfter überregionale Bedeutung hat, als jene aus Oberösterreich, lässt sich bezweifeln.

Fazit
All das führt dazu, dass rund 76 % des gesamten Bundesförderbudgets für Kunst und Kultur in Wien landen (vgl. Grafik 2 „Bundesförderbudget Kunst und Kultur nach Standort“). Selbst wenn man die Bundeseinrichtungen abzieht und nur die „bundesländerspezifischen Förderungen“ betrachtet, gehen davon noch immer 45 % des Budgets nach Wien.

Ohne den Einmaleffekt der Kulturhauptstadt hätte Oberösterreich mit 4,44 EUR die niedrigste Förderquote pro Kopf aller Bundesländer, was im Kontrast zu der großen Kunst- und Kulturszene des Landes steht. Inklusive der Bundesförderung für die Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 rangiert Oberösterreich ex aequo mit Kärnten an vorletzter Stelle (vgl. Grafik 4 „Bundesförderungen pro Kopf pro Jahr“). Es ist höchste Zeit, dass die Fördergeber*innen ihre Verantwortung ernst nehmen und sicherstellen, dass die Fördermittel gerechter verteilt werden. Oberösterreichs Kulturszene hat enormes Potenzial und verdient es, entsprechend finanziert zu werden.

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