Doch ein Machtapparat

Das Kulturtransfer-Team wollte mit KUPFmitgliedern, die Projekte für die Kulturhauptstadt vorbereiten, über die Zusammenarbeit sprechen. Das gelang nicht. Die möglichen Gründe erkundet stattdessen Linz09-Experte Klemens Pilsl. Simone Barlian und Christian Haselmayr, beide im Organisationsteam der Kulturhauptstadt, beschreiben ihre Sicht. Vinzenz Landl hat Auszüge aus den Gesprächen zusammengestellt.

Welchen Stellenwert nimmt die Einbindung der Region in die Kulturhauptstadt ein und wie funktioniert sie?

Christian Haselmayr: Ca. 85 % aller Projekte passieren mit regionaler bzw. lokaler Träger*innenschaft, das heißt, da sind Vereine und Künstler*innen vor Ort, die die Projekte mit uns gemeinsam umsetzen.

Simone Barlian: Es braucht einen Translationsprozess und thematische Annäherungen, die dauern. Nach zwei Jahren der Bodenarbeit, hat man zum Beispiel in meiner Heimat, Gmunden, gemerkt, dass wir jetzt neue Sachen anpflanzen können. Aber zuerst mussten wir gemeinsam Begrifflichkeiten klären und abstecken, oder Ängste aus dem Weg schaffen. Man möchte nicht komplett drüberfahren über die Region, sondern man möchte schauen, was vorhanden ist, wer interessiert ist, wie man zusammenarbeiten kann. Synergie ist ein wichtiges Wort. Das Gefühl, nicht eingeladen zu sein, liegt vielleicht auch ein Stück weit an der Rezeption von Kunst. Man hat etwas vermeintlich Elitäres im Kopf. Ich glaube aber, wir schaffen immer wieder die Möglichkeiten der Öffnung, wo man dazustoßen kann, sehr wohl Fragen stellen und teilhaben kann. Denn es geht darum, dass wir uns gemeinsam mit der Region auseinandersetzen.

Wie seht ihr die Sorge von Kulturinitiativen, die nicht Teil der Kulturhauptstadt sind, dass ihr eigenes Schaffen untergehen könnte, vielleicht sogar eine Art Konkurrenzsituation auftritt?

Barlian: Es ist wichtig, dass man als Kulturverein weiß, es gibt die Möglichkeit, sich einzugliedern. Ich würde mir wünschen, dass man die Kulturhauptstadt als dynamisches Team sieht – mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen, Charakteren und Interessen – zu dem man immer dazustoßen kann.

Haselmayr: Vereine sollten die Kulturhauptstadt als Multiplikator für das eigene Jahresprogramm, die eigenen Anliegen nutzen. Wir können jetzt schon, und nächstes Jahr noch viel mehr, eine Öffentlichkeit erzeugen, europaweit, international aber auch national und regional. Wir sehen uns da auch als gewisses Werkzeug, um die Region in die Öffentlichkeit zu rücken.

Warum wollen die Kulturinitiativen derzeit nicht mit uns über die Kulturhauptstadt sprechen?

Klemens Pilsl: Es gibt natürlich verschiedene Gründe, warum Menschen nicht mit Medien sprechen wollen. Einer davon ist, dass die Kulturhauptstadt doch ein Machtapparat ist. Nicht im Guten, nicht im Schlechten, er ist es einfach, der noch dazu relativ schnell in einer Region entstanden ist. Das bringt auch Dynamiken mit sich, die manche einschüchtern. Immerhin ist man der kleinere Kooperationspartner bei einem Vorhaben der Kulturhauptstadt, da ist es schwierig herauszufinden: Was gehört sich, wie kann man Kritik üben oder Lob aussprechen? Das ist aber auch recht österreichisch: Man schimpft lieber hinterm Rücken von anderen oder hinter vorgehaltener Hand, oder man spricht mit der KUPF OÖ nur ‚off the records‘ Tacheles und traut sich dann nicht, es in ein Mikrofon zu sagen. Aus Angst davor, dass man irrt oder aus Angst vor Repressionen. Das ist zutiefst menschlich und kann man niemandem vorwerfen und war auch bei Linz09 so. Eine der größten Erfolge der Kulturhauptstadt Linz09 war, dass sie aktiv Kritik gesucht hat, sich Kritik gestellt hat. In einigen Foren hat das funktioniert. Trotzdem haben auch dort Leute, sobald sie gewusst haben, sie werden irgendwie Teil der Kulturhauptstadt, nicht mehr gewusst, ob und was sie sagen dürfen. Das hing auch damit zusammen, dass innerhalb der Kulturszene kein Konsens bestand, wie man mit der Kulturhauptstadt umgeht. Und man hat sich vielleicht weniger vor der Kulturhauptstadt bzw. dem Intendanten fürchten müssen, als vorm Standing in der Freien Szene selbst.

Wie stehst du zu dem Vorwurf, dass die Region und Kunst aus dieser nicht genug eingebunden wird?

Pilsl: Wenn ich sowas schon höre, rollts mir alle Zehennägel auf, denn diese Leute haben Kulturhauptstadt nicht begriffen. Kulturhauptstadt ist nicht als Tool vorgesehen, um sich selbst zu beweihräuchern oder Tourist*innenströme zum Explodieren zu bringen. Sondern Kulturhauptstadt ist ein Regionalentwicklungs-Tool. Eine gesunde Regionalentwicklung tut gut daran, den Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen und Menschen von außen zu bitten, ihren Blick auf das Salzkammergut kundzutun. Und: Kulturstadt hat nicht den Job, alle Menschen glücklich zu machen.

KULTURTRANSFER
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