Am Anfang steht die Idee

Wie gelingt ein nachhaltiger Kulturhauptstadt-Prozess? Katharina Spanlang hat bei Christina Jaritsch aus dem Salzkammergut 2024-Team nachgefragt.

Katharina Spanlang: Was bedeutet Klimakultur für dich bzw. das Salzkammergut 2024-Team?

Christina Jaritsch: Klimakultur ist ein ganzheitlicher Ansatz. Wir versuchen, sensibel sowohl in der Themensetzung als auch in der Umsetzung zu sein. Konkret haben wir z. B. in den Verträgen mit allen Projektträger*innen Richtlinien für nachhaltige Veranstaltungen verankert. Sie orientieren sich an den Green Event-Geboten. Wir selbst sind Klimabündnis-Betrieb und befinden uns in einem laufenden Prozess, unsere größeren Veranstaltungen, wie zum Beispiel die Eröffnung, extern evaluieren und begleiten zu lassen. Wir streben für einige eine Umweltzeichen-Zertifizierung an. Es gibt Grenzen, v. a. bei internationalen Projekten fallen Reisen an. Wenn es die Umstände zulassen, versuchen wir längere Anreisewege zu vermeiden – so wird etwa der Input einer Expertin aus den USA bei einer Konferenz digital umgesetzt werden. Inhaltlich gibt es zudem im Salzkammergut beispielsweise viel Leerstand, dennoch wird immer mehr Boden durch Neubau versiegelt. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den ländlichen Raum attraktivieren können, ohne ihn an den Rand des Kollaps zu treiben.

Das Salzkammergut kämpft teils mit Übertourismus. Im Jahr 2024 werden noch mehr Tourist*innen in die Region kommen. Sind das nicht Tendenzen, die man verhindern, anstatt weiterführen will? Wie kann eine ökologische Ausrichtung in Anbetracht dessen stattfinden?

Die Touristen*innen sind sowieso da, vor allem im Sommer. Wir versuchen mit unserem Programm die Saisonen zu entzerren und die Region über das ganze Jahr attraktiv zu machen – vor allem kulturell. Was mich als Person, die hauptsächlich im Salzkammergut lebt, oft belastet, ist die Verkehrssituation. Durch die Berg- und Tallandschaften gibt es eine Verkehrsader, die von zu viel Individualverkehr oft überlastet wird. Wir bräuchten für die Region mehr Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs. Wir sollten nicht aufhören, das Salzkammergut mit anderen zu teilen, sondern darüber nachdenken, wie wir das für alle Seiten angenehmer machen können. Wenn sich Reisende auf das kulturelle Leben der Orte einlassen, ist das immer sehr bereichernd – für die Einheimischen sowie für die Multilokalen oder Besucher*innen.

Wo siehst du Verbindungen zwischen kulturellen Praktiken, Ökologisierung unserer Gesellschaft und sozialen Agenden?

Eine Ökologisierung der Gesellschaft muss ganzheitlich gedacht werden. V. a. die Theoretikerin Donna Haraway liefert gute Ansätze, die nicht zuletzt in der Kunst viel zitiert werden. Sie denkt radikal über das uns so inhärente Androzentrische (also Menschenzentrierte) hinaus, stellt (Gedanken-)Experimente zur Verwandtschaft der Arten an und verbindet gesellschaftliche Ansätze mit individuellen.

Inwiefern spielen intersektionale Zugänge in den Projekten der Kulturhauptstadt eine Rolle?

Die Klimakatastrophe muss mit Berücksichtigung sozialer, politischer und wirtschaftlicher Kategorien gedacht werden. Jene, die am wenigsten materiellen Wohlstand genießen, tragen am wenigsten zur Ausbeutung des Planeten bei und leiden am meisten unter den Folgen. Politische Verantwortungsträger*innen sind eher den Verursacher*innen der Klimakatastrophe zuzuordnen und sind im schlimmsten Fall noch Profiteur*innen. Wieso also sollten sie Interesse daran haben, etwas an den aktuellen Gegebenheiten zu ändern? Es gibt die Möglichkeit, das radikal anzuprangern, wie wir das von zeitgenössischen Klimaaktivist*innen lernen. Ich denke, diese Rufe nach Gehör sind absolut legitim und wichtig angesichts der klimabezogenen Blindheit und Taubheit mancher politischer Entscheider*innen. Es braucht aber auch verbindende Elemente, bei denen sich die eigentlichen oppositionellen Meinungen zur Diskussion treffen können. Es wird drei Konferenzen geben, die alternativ, nicht frontal aufgebaut sind, um Austausch zu ermöglichen.

Was wünscht du dir, mit Salzkammergut 2024 in Bezug auf die Klimakrise für die Region zu bewirken? Kunst und Kultur können Impulse geben und die Köpfe für eine rosigere Zukunft öffnen. Am Anfang steht immer die Idee, also zunächst muss etwas denkbar werden, bevor es lebbar wird. Dazu können wir beitragen.

Foto: Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 / https://www.salzkammergut-2024.at/presse. Projekt: Eva Schlegel

Im Rahmen der Programmlinie GLOBALOKAL – Building the New werden zahlreiche Formate um die Themenbereiche Baukultur, Klimakultur, Natur, Landwirtschaft und viele relevante Querschnittsthemen umgesetzt.

Die Programmlinie Sharing Salzkammergut – die Kunst des Reisens verhandelt die Zukunft des Tourismus und denkt gemeinsam mit jungen Menschen darüber nach, wie wir Konzepte für die Zukunft erproben und umsetzen können.

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