Kunst bietet Handlungsräume

Die Mozarteum-Studierenden Lena-Maria Schuster und Eva-Maria Sallinger haben im Rahmen der Sustainability Challenge die Kulturaktiven Susanne Lipinski (kollektiv KOLLINSKI sozial und Dachverband Salzburger Kulturstätten) und Leo Fellinger (Leitung der Kunstbox Seekirchen) zu Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit befragt.

Lena-Maria Schuster: Häufig sehen Menschen es so, dass Kunst und Kultur eigentlich eine Belastung für die Gesellschaft sein können, vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit. Was hat Kunst aber für ein Potential?

Susanne Lipinski: Für mich ist Kunst und Kultur der Spiegel einer Gesellschaft. Wenn sich Kunst und Kultur als zeitgenössisch begreifen, müssen sie inhaltlich die aktuellen Themen der Zeit aufnehmen – und ein aktuelles Thema ist natürlich Klima. Ich selbst mache Kunst, unsere Mitglieder machen Kunst und wir haben schon viel bewegt: etwa mit der Kampagne Klima und Kultur in Kooperation mit dem regionalen Fernsehsender FS1 gemeinsam mit vielen unterschiedlichen Gesichtern aus der freien Kulturszene. Oder ein Kulturvermittlungsprojekt aus Salzburg: Caroline Richards und Robert Kainar haben ein Theaterprojekt in einer Schule umgesetzt. Die Klasse selbst wollte ein Theaterstück zum Thema Klima machen. Zwei Teilnehmende aus dem Projekt waren dann auch in die Kampagne involviert.

„Das Publikum selbst schafft den Strom für eine Veranstaltung.“

Leo Fellinger: Vielleicht hake ich bei den Themen Kinder oder Jugendliche gleich ein. Da haben wir ja noch einen immensen Einfluss, weil wir eine 80-jährige Person wahrscheinlich nicht mehr in ihrer Lebenseinstellung verändern werden – und wenn doch, ist es ein großer Erfolg. Kinder und Jugendliche sind formbar und nehmen Dinge auf wie ein Schwamm. Wir haben das Projekt Bike the Beat umgesetzt, ein Instrumentarium aus zehn Fahrrädern, die Strom erzeugen. Das Publikum selbst schafft den Strom für eine Veranstaltung – ein sehr rührendes Beispiel eigentlich.

Was dabei herauszuhören ist: Es sind auf jeden Fall sehr unterschiedliche Gruppen, an die Sie mit Ihren Projekten kommen. Auf welchen Ebenen können Sie die Gesellschaft beeinflussen?

Lipinski: Lösungen biete ich in der Kunst sehr ungern. Das soll die Politik machen. Ich biete Problemaufarbeitung, ich biete Handlungsräume, ich biete Projektionsflächen.

Fellinger: Wir sind auch Kulturvermittler*innen und bringen Kunst, die schon produziert ist, auf die Bühne. Nicht nur. Wir regen natürlich auch zum kreativen Tun an.

„Das wirklich solidarische Vernetzen in alle Richtungen,
das macht uns als Menschheit aus;

alleine können wir das CO2 nicht drosseln.“

Lipinski: Als Dachverband, als Kulturarbeiter*innen bieten wir Vernetzungsprojekte an: Beispielsweise ein Kulturfrühstück im Haus der Natur, woraus dann auch unsere Mitarbeit in der Sustainability Challenge entstanden ist. Das wirklich solidarische Vernetzen in alle Richtungen, das macht uns als Menschheit aus; alleine können wir das CO2 nicht drosseln. Die Kunst kann nicht heilen, die Kunst kann die Welt nicht retten. Die Frage ist, welche Themen behandle ich, wie gehe ich auf die Menschen zu und wie hole ich andere Bereiche herein.

Fellinger: Die Probleme, vor denen wir stehen, sind ja von Menschen gemachte Probleme. Dem muss man sich mit allen menschlichen Fasern entgegenstellen und die Kunst ist ein großer Teil dieser menschlichen Fasern. Somit ist die Kunst automatisch im Widerstand. Die Grundlage der Kunst ist das Geschichten-Erzählen. Ich erzähle Geschichten in der Literatur, auf der Bühne, im Theater und letztlich erzählen wir hier heute auch Geschichten. In allen Kunstformen ist die Basis das Geschichten-Erzählen und heute erzählen wir die Geschichte einer furchtbaren Situation, dass wir mit der CO2-Entwicklung in eine Katastrophe laufen und dass sich niemand entgegenstemmt. Wer soll sich mit Geschichten dagegenstemmen, wenn nicht die Kunst?

Lipinski: Es ist auch verständlich, dass sich niemand dagegenstemmt, weil es so ein großes Ding ist. Da kann man nur wie der Strauß den Kopf in den Sand stecken und sagen: Hinter uns die Sintflut, weil es unlösbar scheint. Dann ist, glaube ich, für uns die Kunst die einzige Möglichkeit, das zu bearbeiten.

Das heißt, Sie beide stecken den Kopf nicht in den Sand.

Lipinski und Fellinger: Nein.

Das gesamte Gespräch ist als Podcast zu hören → cba.media/624755

Diesen Podcast für die 13. Sustainability Challenge der RCE Vienna gestalteten Lena Maria Schuster, die Instrumental und Gesangspädagogik mit dem Hauptfach Violine Klassik am Mozarteum studiert, und Eva-Maria Sallinger, die neben ihrem Studium am ORFF-Institut in Salzburg an einer Mittelschule lehrt.
Die Sustainability Challenge ist eine transdisziplinäre Lehrveranstaltung der RCE Vienna und sieben österreichischen Universitäten. Die Radiofabrik Salzburg und der Dachverband Salzburger Kulturstätten waren Service Learning Partner in der Lehrveranstaltung, die vom Mentoring-Team der Universität Mozarteum Salzburg durch Katharina Anzengruber (wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterin) und Maria Kalleitner-Huber (Nachhaltigkeitsbeauftragte) unterstützt wurde.
→ rce-vienna.at

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