Der Kulturinitiativen-Beirat

Ein Interview mit Brigitte Vasicek über ihre Arbeit als Beirätin der Abteilung „Regionale Kulturinitiativen und -zentren“ im Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.

Wo anderswo noch Beamte über die künstlerische und inhaltliche Qualität von Förderansuchen entscheiden, gibt es auf Bundesebene sogenannte Beiräte, die diese Aufgabe übernehmen. Die Linzer Künstlerin, Aktivistin und Universitätsprofessorin Brigitte Vasicek schied 2013 nach mehreren Jahren aus dem sogenannten Kulturinitiativenbeirat aus und hat mit Klemens Pilsl über Chancen und Tücken dieses Fördervariante geplaudert.

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Infobox: Der Kulturinitiativen-Beirat beim BMUKK

Der §9 des Kunstförderungsgesetzes von 1988 sieht die Möglichkeit vor, zur Vorbereitung und Vorberatung von Förderangelegenheiten sogenannte «Beiräte» einzusetzen. Diese Beiräte setzen sich aus ExpertInnen der verschiedenen Kunstsparten zusammen. Ein Beiratsmitglied hat die Aufgabe, aufgrund seines Fachwissens sachverständige Empfehlungen abzugeben, es fungiert als kulturpolitisches Beratungsgremium für das BMUKK. Derzeit unterstützen 13 Fachbeiräte die Kunstsektion bei der Vergabe von Fördermitteln: Es gibt z.B. einen Beirat für Bildende Kunst, einen für Architektur & Design usw. Und natürlich gibt es auch einen Beirat für die Abteilung «Regionale Kulturinitiativen.» Diese Abteilung subventioniert auch einige KUPF-Initiativen, wie etwa die KAPU in Linz, das Kino Ebensee und etliche andere. Der Kulturinitiativenbeirat besteht aus sieben Beiratsmitgliedern, die aus sieben verschiedenen Bundesländern stammen. Eine Funktionsperiode dauert drei Jahre – mit Verlängerungsmöglichkeit bis maximal sechs Jahre – wobei bei jeder Neubestellung auch auf eine «ausgeglichene Bundesländerverteilung» geachtet wird.

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Klemens Pilsl: Wie funktioniert die konkrete Arbeit im Beirat?

Gitti Vasicek: Der Bund übermittelt den Beiratsmitglieder die aufbereiteten Förderanträge der EinreicherInnen. Meist vierzig, fünfundvierzig Anträge. Die Beiräte lesen diese Anträge sehr genau, denn in der Regel gibt bei den folgenden Beiratssitzungen immer rege Diskussionen zu jeder Förderempfehlung – im Beirat sind ja sieben Mitglieder mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten.

JedeR im Beirat hat eine gewisse Haltung. Eine Kollegin etwa, die kommt vom Vorarlberger Frauenmuseum, studiert die Anträge bezüglich Gender-Problematik – die liegt ja bei ganz vielen Kulturvereinen noch sehr schief. Die Diskussion ist meist aber nicht hitzig, sondern man hört sich Meinungen an und wiegt ab. Und manchmal bittet man eine Kulturinitiative, ihren Antrag noch etwas nachzujustieren.

 

Sagt dieser gar nicht so seltene Bedarf am „Nachjustieren“ etwas über die inhaltliche Qualität der Einreichungen aus? Und lässt sich der Beirat auch von formalen Dingen beeinflussen?

Formale Dinge beeinflussen immer, alles andere wäre gelogen. Die inhaltliche Qualität ist sehr unterschiedlich. Das reicht von fokussierten Themen, die inhaltlich gut recherchiert und aufbereitet sind, bis zu Anträgen, die ein Gefühl von Copy & Paste des Vorjahres vermitteln. Manche vergessen sogar, die Jahreszahl zu ändern.

 

Fühlt man sich da verarscht?

Manchmal ist es schon ärgerlich, weil man ja weiß, dass diese oder jene Region dringend Unterstützung bräuchte. Aber verarscht bin ich mir nie vorgekommen – ich habe immer versucht mir vorzustellen, unter welchen Umständen und Bedingungen die Leute arbeiten, welches Feedback sie von der Region oder der Politik bekommen. Und dadurch sehen manchmal Dinge so aus, wie sie aussehen.

 

Man entwickelt ein gewisses Verständnis, wenn man erahnt, dass die EinreicherInnen sehr prekär, über-ehrenamtlich und unter großem Druck arbeiten?

Dadurch, dass alle Beiratsmitglieder sehr viel mit Kulturinitiativen zu tun haben, kennen sie diese Hintergründe. Bei Kulturförderungen geht es aber auch um ästhetische, künstlerische, inhaltliche Qualitäten. Diese sind schwierig zu bewerten, es gibt keine klassische Skala dafür.

 

Kulturinitiativen werden meist aus einer Notwendigkeit heraus, politische oder gesellschaftliche Themen aufzugreifen, gegründet. Sie richten den Scheinwerfer auf Themen, die andere nicht abdecken können und bereiten neuen Boden auf. Dadurch wirken sie ja oft unbequem. Meine persönlichen Kriterien sind also gewesen: Kann jemand etwas aufzeigen, Sachen auf den Kopf stellen, Vielschichtigkeiten und differente Sichtweisen erzeugen?

Problematisch fand ich immer so reine «Buchungsgeschichten», wenn wer berühmte Komiker oder Austropop-Sänger veranstaltet. Natürlich muss das Haus einmal voll werden, aber wenn das Überhand gewinnt, dann frage ich mich schon, ob man die Kulturgelder tatsächlich in diese Wirtschaft reinschmeißen soll?

 

Gibt es dazu gänzlich konträre Haltungen im Beirat ? Dass jemand sehr touristisch oder kreativwirtschaftlich denkt?

Der Kulturinitiativen-Beirat setzt sich tatsächlich aus dem Kunst- und Kulturbetrieb zusammen. Es ist ein Beirat, der sich ganz klar von Tourismusveranstaltungen und reiner Unterhaltung abgrenzt. Dazu kommen die Leute viel zu sehr aus der Kunstszene.

 

Hast du Tipps für die Antragstellung?

Ich persönlich mag diese typischen Kulturmanagement-Anträge nicht. Diese gewisse angelernte Wortwahl … da frage ich mich nach der Kraft dahinter. Dieses Leidenschaftslose mag ich nicht. Mich interessieren ganz andere Fragen in den Anträgen: Was brennt euch unter den Fingernägeln? Was ist wirklich dringend in eurer Region? Was sind die Probleme, was sind die Geschichten? Und schreibt rein, womit die Leute kämpfen! Das macht viel mehr her als ein schön formulierter, aber pseudo-politischer Antrag.

 

Eine Idee hinter dem Beiratssystem ist ja, dass man „künstlerische“ Entscheidungen nicht einem Kulturbeamten überlassen möchte, sondern auf die Schultern von ExpertInnen legt. Ist deiner Ansicht  nach das Förderwesen dadurch besser geworden?

Da habe ich keinen Vergleich. Der wichtigste Unterschied zum Kulturbeamten ist, dass ein Beirat nicht weisungsgebunden ist. Er muss kein politisches Programm berücksichtigen. Ich weiß nicht, warum und mit welcher Motivation ein Kulturbeamter im Kulturamt sitzt …

 

… ist er freiwillig dort, ist er gar strafversetzt worden … ?

Genau. Das wissen wir nicht. Es gibt aber immer wieder auch Entscheidungen des Beirats, die beim BMUKK kein Gehör finden. Manchmal lehnt das Ministerium eine Empfehlung ab oder manchmal geben wir keine Empfehlung und es fördert dennoch.

 

Hat das ideologische Gründe? Oder fühlt man sich im BMUKK manchmal verpflichtet?

Der Beirat bekommt da keine Informationen.

 

Ihr wisst also nicht, ob das eine Abteilungsleiterin bestimmt oder ob das von ganz oben kommt?

Ich glaube, es kommt ganz oben aus dem Kunstministerium. Das Sekretariat bestimmt das nicht.

 

Ist das frustrierend für den Beirat?

Sagen wir so: Es ist nicht ganz fesch für den Beirat. Aber ich kann nicht sagen, dass das sehr oft vorkommt. Aber wenn es passiert, dann ist es natürlich nicht lustig.

 

Die Kupf fordert ja in den Zumutungen auch für Oö einen fixen Förderbeirat. Kannst du mit deinen Erfahrungen aus dem Bund sagen: Ja, das Land Oberösterreich wäre gut beraten.

Absolut.

 

Es wird regional wie kommunal argumentiert, dass erstens die Kulturbeamten sehr hoch qualifiziert seien, eine Infrage-Stellung ihrer Entscheidungsqualifikation also beleidigend sei. Zweitens, dass ja allein durch die personelle Zusammensetzung einer Jury schon Manipulation möglich sei. Und drittens, dass das eine unglaubliche Hock’n ist.

Ich wäre nicht beleidigt, wenn ich eine zusätzliche Meinung und Sichtweise bekomme. Es wäre komisch, würde man glauben, alle Genres und Perspektiven selbst abdecken zu können.

 

Siehst du allgemein den Subjektivismus in der Kunstförderung als problematisch?

Subjektivität gibt es immer. Ich habe eine Haltung zu Politik oder zu Kulturinitiativen, wie ich sie mir vorstelle, aus dieser Haltung heraus argumentiere ich. Das Problem bei den Förderentscheidungen liegt ja anderswo: Es gibt einen gewissen Kuchen, und der ist seit Jahren aufgeteilt. Da wird es schwierig für Neuzugänge.

 

Das nennen wir Senioritätsprinzip: Wer immer am Trog war, wird nicht abgewiesen. Für die Jungen ist es hingegen schwierig.

Genau, es gibt sehr gute und wirklich spannende Junge. Der Beirat versucht, innerhalb des kleinen Rahmens, diesen einen guten Start zu ermöglichen, eben einen gewissen Impuls zu geben. Und dann sieht man, ob sich das entwickelt.

 

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Gitti Vasicek: Statement für www.bmukk.at

„Freie Kulturarbeit beinhaltet die Herausforderung, Freiräume aufzuzeigen bzw. zu eröffnen und verfügbar zu machen. Sie ist eine Konfrontation mit Neuem, stellt differente Sichtweisen dar oder einfach gewohnte Verhältnisse auf den Kopf. Und das im Sinne von Initiative, Unabhängigkeit, unbequem praktizierter Eigenverantwortung, programmiertem Chaos usw. Sie ist durchaus ein Narrenschiff der Gefühle und Atmosphären. Nach diesem Verständnis mündet Kulturarbeit nicht einfach in Veranstaltungen, die Kulturkonsum bieten, sondern setzt die Veranstaltungen selbst in einen erweiterten und inspirierenden Rahmen, sodass sie zu künstlerischen und kulturellen Ereigniswerken werden. Regionale Kulturarbeit nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein, weil sie die Möglichkeit der Gestaltung des eigenen kulturellen Lebensraumes schafft.“

 

 

 

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