Entlastung für Fortgeschrittene

Das Konzert ist angemeldet, die Feuerlöscher stehen an ihrem Platz und der letzte Sessel ist aus dem Fluchtweg geräumt: Nun können die ersten Gäste mit Jugendschutzbändern in Empfang genommen werden. Eine Szene, wie sie vielen Kulturschaffenden vertraut ist: Veranstalten heißt in zunehmenden Maß eben auch die Vorgaben einzuhalten. Ein Leitartikel von Richard Schachinger.

Jede dieser Bestimmungen mag für sich genommen ihre Berechtigung bzw. Sinn haben, in ihrer Summe werden sie allerdings als bürokratischer Hürdenlauf wahrgenommen. Mit anderen Worten: Kulturarbeit hat oftmals mehr mit der «Kunst der effizienten Fortbewegung» [1] – Parkour – zu tun, als ihr lieb ist.

Für die KUPF als Verfechterin geeigneter Rahmenbedingungen steht fest: Die aktuelle Rechtslage läuft einer aktivierenden Kulturpolitik zuwider, sie lässt die nötige Verhältnismäßigkeit vermissen. Die zentralen Haken sind schnell ausgemacht: Die Bestimmungen des Veranstaltungssicherheitsgesetzes gelten quasi unabhängig von der Größe der jeweiligen Veranstaltung, die so genannte «Lustbarkeitsabgabe» auf Kulturtickets harrt nach wie vor ihrer Reform und trifft bevorzugt die Kleinen.

Nichtsdestotrotz zeigt das kulturelle Angebot in OÖ, dass in den meisten Fällen eine praktikable Lösung gefunden werden kann: entsprechende Anstrengungen seitens der Kulturschaffenden bzw. Augenmaß seitens der Behörden vorausgesetzt. Allerdings ist Letzteres nicht immer gegeben und all zu oft ist die Ausgangsbasis schlicht eine widrige. Dann bleiben lediglich eine gehörige Portion an Idealismus oder gar Selbstausbeutung als Alternative ohne Erfolgsgarantie. Freilich lassen sich gelungene Beispiele in diesem Zusammenhang als Positivgeschichten erzählen. Sie machen zweifelsohne Mut, doch der entscheidende Punkt ist doch folgender: Man hat es dank erlebter Selbstwirksamkeit trotzdem geschafft.

Dem gegenüber stehen zu viele Fälle von Initiativen, bei denen der bürokratische Aufwand auf Dauer die Handlungsbereitschaft unterwandert hat – und das sprichwörtliche Handtuch geworfen wurde.
Dieser Befund wird dem Anspruch einer aktivierenden Kulturpolitik nicht gerecht: Eine zukunftsfähige Perspektive zu eröffnen heißt, kulturelles Engagement durch Anreize zu fördern und nicht durch administrative Hemmnisse zu bremsen. Den Protagonistinnen wird es dann wieder möglich sein, sich auf ihre eigentlichen Schaffensmotivation zu konzentrieren – was die gesellschaftliche Teilhabe und letztlich auch das demokratische Interesse unterstützt:

Schließlich hat jede «Community of practice», die etwas aufgebaut hat, auch etwas zu verlieren.
Die gegenwärtige «Deregulierungsoffensive» des Landes bietet den idealen Rahmen, den Bürokratieabbau im Veranstaltungswesen in Angriff zu nehmen: Gemeinnützige sollen von der Lustbarkeitsabgabe befreit und die Auflagen aus der Veranstaltungssicherheitsverordnung nach der Veranstaltungsgröße ausgerichtet werden. Es ist höchste Zeit für eine Entlastung und – allgemeiner gesprochen – für eine neu gelebte Kultur der Zusammenarbeit zwischen Veranstaltenden und Behörden. Denn hat – um abschließend mit dem deutschen Soziologen Harald Welzer [2] zu fragen – «die Entmündigung von Menschen jemals dazu geführt, dass ihr Leben sicherer geworden ist? Im Gegenteil: Je mehr Autonomie man an Regeln und an Technik abgibt, desto unfähiger wird man, für sich selbst Verantwortung zu tragen».

[1] Wikipedia
[2] Harald Welzer ist Totalitarismus-Forscher und Begründer der Stiftung „Futur Zwei“. National Geographic 5/15

 

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