Füße in die Luft

Mirjam Steinbock über die Zukunftsfähigkeit von Kulturinitiativen.

Sich der Zukunft widmen, den Raum aufmachen und Wege ebnen für Neues. Ein guter Ausblick? Einen Blick braucht es auf jeden Fall und zwar jenen auf das Jetzt. Passt der Kurs der eigenen Arbeit (noch)? Ist die Basis der Kulturarbeit eine solide, gleich, ob aus der Sicht der Akteur*innen oder als Teil einer Kultureinrichtung?

„Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug.“ Das Zitat der Lyrikerin Hilde Domin beschreibt diesen Akt, sich in neue Gefilde zu begeben, sehr gut. In Gang gesetzt durch den Fuß, der noch einen tragfähigen Untergrund hat und im Begriff ist, den nächsten Schritt in ein vollkommen unbekanntes Terrain zu wagen. Lediglich ausgestattet mit Mut und dem Vertrauen in den eigenen Körper. Scheitern oder reüssieren, alles ist noch offen. Der Akt ist so lustvoll wie spannend. Nicht immer ist er selbstgewählt, Veränderungsprozesse werden uns häufig auferlegt, erwischen uns auch mal kalt – die letzten drei Jahre sprechen für sich. Gesundheitlich bedingte Einschränkungen in beinahe allen Bereichen des Lebens konfrontierten den Sektor mit massiven Hürden, die aktuelle Situation rasant steigender Lebenshaltungskosten, ein instabiles politisches System und die Realität prekärer Einkommensverhältnisse wähnen uns nun mit beiden Füßen in der Luft, bevor wir überhaupt einen Schritt tun konnten.

Wie steht es unter diesen Bedingungen mit unserer Zukunftsfähigkeit? Wie gehen Kulturinitiativen damit um und wie beschreiben sie das Wesen ihrer Arbeit? Die IG Kultur Vorarlberg hat im Februar eine kleine Studie unter Mitgliedern verschiedener Größen, struktureller Ausstattungen, Sparten und Standorte durchgeführt und sich mit der Frage der Zukunftsfähigkeit beschäftigt. Bei aller Heterogenität dieser Einrichtungen stimmen sie vor allem bei den Sozialkompetenzen überein. Mehrfach genannt: das Vermögen, flexibel zu sein; Offenheit zu haben für unterschiedliche Menschen und Bedürfnisse und gegenüber Veränderungen; die Fähigkeit, Relevantes zu erkennen und auszuprobieren; die Anbindung an ein junges Publikum zu haben, Kulturvermittlung für Kinder und Jugendliche anzubieten; Planungssicherheit über die Ausstattung finanzieller und struktureller Ressourcen; Nachhaltigkeit; und immer wieder: Austausch und Dialog: Vom Vermögen, in Gespräche mit Künstler*innen einzutauchen und dem Publikum zuzuhören war die Rede. Eine Mehrsparteneinrichtung in der Stadt sagt: „Immer den Anschluss zum Publikum halten.“ Eine Initiative im ländlichen Raum bezeichnet es so: „Abklopfen und Hinterfragen von ‚War immer schon so‘ genauso wie Trends im Auge behalten und entscheiden, wann aufgesprungen wird oder ob überhaupt.“ Abgeleitet aus den Ergebnissen der umfassend angelegten ASSET-Studie zum Audience Development, an der IG Kultur und Europäische Theaternacht beteiligt waren, lautet der Appell an die Handlungsfähigkeit: Kenne und verstehe dein Publikum!

Reflexion und Evaluation halten die meisten für ebenfalls wichtig. Ein bereits seit 50 Jahren bestehender Kulturverein im urbanen Raum erachtet sowohl Struktur als auch Veränderbarkeit für notwendig: „Struktur gibt Leitlinien vor, um sich selbst vor lauter Veränderung nicht zu verlieren, aber auch diese dürfen geprüft, evaluiert werden. Wandel um des Wandels Willen macht keinen Sinn. Sich bewusst sein, was man ist und wohin die Reise gehen soll, bietet automatisch die Struktur, die Veränderung möglich macht.“

An der Zukunft der Kulturarbeit sind neben den Akteur*innen weitere Stakeholder beteiligt : Fördergeber*innen wie Bund, Land und Gemeinden stehen im Rahmen der Fair Pay-Prozesse aktuell auch vor Veränderungsprozessen. Die Implementierung von Fair Pay in Fördersysteme wird auch eine Veränderung der Strukturen erfordern. Die Interessenvertretungen der Sparten haben vor allem in der kulturpolitischen Debatte eine Rolle: Sie tragen dazu bei, adäquate Rahmenbedingungen zu schaffen, um kulturelle Teilhabe weiterhin zu ermöglichen. Eine verstärkte Zusammenarbeit auf und zwischen allen Ebenen sowie Synergiebildung wird es dringend brauchen, die Klimaveränderungen führen uns vor Augen, was viel zu lange unberücksichtigt blieb. Wagen wir also den Schritt in die Luft und setzen wir darauf, dass sie trägt!

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