Leerfilm

Bewegtbilder fesseln unsere Aufmerksamkeit – ob auf TikTok und YouTube am Smartphone, im Videocall auf Facetime und WhatsApp oder auf Streaming-Plattformen am Smart-TV. Kinder und Jugendliche begegnen Filmen nicht nur in ihrer Freizeit. Im Unterricht spielen Lehrkräfte Dokumentarfilme, Schulbuchverlage bieten Erklärvideos an, in Videos konferenzieren wir auf Distanz. Sogar das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat in Pandemiezeiten seinen Auftrag gegenüber dem kindlichen Publikum wiederentdeckt. 2020 schüttelte es die ORF-1-Freistunde aus dem Ärmel, danach folgte ein zweijähriges TikTok-Intermezzo mit Fannys Friday. Seit heuer informiert ZIB Zack Mini die Jüngsten und versucht, Kinder wieder an lineares Fernsehen zu binden.

Doch was hat das Freistunden-Fernsehen mit Präsenzunterricht zu tun?

Reimschema, Versmaß, Strophen- und Gedichtform, dazu Stilmittel von Akkumulation bis Zeugma: Wer zur Matura will, lernt diese Begriffe, um Gedichte und Erzähltexte zu deuten und sich kritisch mit Sachtexten zu befassen. YouTube bietet Erklärvideos zu Stilmitteln sowie Tutorials zum Verfassen von Textanalysen. Davor und dazwischen laufen kurze Werbeeinschaltungen. Ein Trailer zeigt eine neue Netflix-Serie. Vielleicht etwas zum Bingen am Wochenende?

Während Kinder und Jugendliche heute ständig von bewegten Bildern umgeben sind, setzt der Schulunterricht auf Texte, bevorzugt in Papierform. Klassiker-Lektüren stehen am Stundenplan, um Serienkonsum oder Kinobesuch geht es im Pausengespräch. Manchmal kommt Film auch in der Kunstgeschichte des Zeichenunterrichts vor. Ab und zu organisieren Schulen sogar Videoprojekte, aber jugendliche filmische Innovation findet eher auf TikTok als in der Schule statt. Obwohl Kinder wie Erwachsene heute ständig mit Videos in Berührung kommen, haben die meisten wenig Verständnis und Fähigkeiten im Bereich Film.
Lehrfilme haben wir genug, Filmkompetenz fehlt. Die neu gegründete IG Filmbildung setzt sich für eine umfassende Medienbildung ein, die auch das Medium Film gebührend berücksichtigt. Neben einem bewussten und kritischen Umgang mit dem gesprochenen und geschriebenen Wort brauchen wir heute auch einen verantwortungsvollen und kreativen Umgang mit Bewegtbild auf dem Lehrplan.

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