Drohendes Kultur-Blackout

Normalerweise stehen im November die Vereins-Budgets und es werden eifrig Anträge für Projekte im Folgejahr geschrieben. Doch dieses Jahr ist es für Vereine in Ried im Innkreis anders: Sie sind von drastischen Einsparungsplänen durch die Stadt betroffen.

Im Spätsommer legten regionale Medienberichte nahe, dass die Stadt Ried i. I. aufgrund von steigenden Kosten durch die Verteuerung am Energiesektor und der angespannten Budgetlage durch Korruptionsaffären der Ried Energie Kürzungen der Basisfinanzierung bei allen Vereinen vornehmen würde. Kunst-, Kultur- und Sportvereine schlossen sich daraufhin zusammen und forderten ein Treffen zur Klärung der Gerüchte mit Bürgermeister Zwielehner (ÖVP). Mitte November wurden Vertreter*innen der betroffenen Vereine zum Gespräch geladen, um ihnen mitzuteilen, dass bei allen Vereinen im Kunst-, Kultur- und Sportbereich Einsparungen von 30 % vorgenommen werden. Eine Sitzung des Kulturausschusses Ende November bestätigte diese Maßnahme. Zwielehner argumentiert, dass durch diesen Schritt schlimmere Folgen abgewendet werden: Durch das Budgetdefizit würde die Stadt Ried ansonsten Gefahr laufen, Abgangsgemeinde zu werden, wodurch sie gezwungen wäre, Budgetkürzungen von 75 % für alle Vereine vorzunehmen. Unabhängig davon, ob das nun eine Schutzbehauptung ist, oder drohendes Zukunftsszenario – bereits die 30 %-Kürzungen sind existenzgefährdend für viele Vereine. 

“Uns vom 20ger Haus mit vergleichsweise kleinerem Jahresbudget trifft die Kürzung bereits hart.  Größere Folgen hat es für das KIK-Ried und die größeren Sportvereine. Ried hat mit Tennis, Volleyball und Fußball drei Bundesligavereine, die durch die Kürzungen und zusätzliche hohe Energiekosten für Hallen besonders betroffen sind.” Julia Csongrady, 20ger Haus Ried im Innkreis

Die größtenteils ehrenamtlich geführten Vereine stehen vor der nun schwierigen Situation, für das Jahr 2023 ein ausgeglichenes Budget zu erstellen. In Anbetracht der bevorstehenden Kürzungen zusätzlich zu höheren Energiekosten und der allgemeinen Teuerung bringt dies Vereine in eine schwierige Lage. Vereinsverantwortliche haften, wenn langfristig Geld fehlt. Wenn sich das persönliche Risiko für ehrenamtliches Engagement erhöht, stellt sich die Frage, wer sich dies auf die Dauer (auch emotional) leisten kann und will. Herausfordernd wird es auch beim Erstellen von Budgets für Landes- und Bundesförderungen. Denn häufig orientieren sich dabei die Finanzierungshöhen am Gesamtbudget. Ist dieses gering, fallen auch die Gelder von Land und Bund niedrig(er) aus. ​​Die Auswirkungen dieser Kürzungen spiegeln sich dann außerdem auf sozialer Ebene wider: im nicht (finanziell) geförderten sozialen Zusammenhalt. In der Gesellschaft fehlt dann etwas.

“Jeder Verein tut viel für die soziale Struktur in Ried und im Umkreis. Sei es der Briefmarken-Verein, Volleyball-Verein oder wir als KIK-Ried. Das Ehrenamt wird mit solchen Maßnahmen mit Füßen getreten.” Florian Bauböck, KIK-Ried

Noch immer wirken die finanziellen Folgen der letzten Krisenjahre und das veränderte Publikumsverhalten nach. Mit viel Durchhaltevermögen der Kunst- und Kulturinstitutionen und langsamer Rückkehr des Publikums gab es diesen Sommer ein leichtes Aufatmen. Fehlender Rückhalt durch von der Rieder Stadtpolitik beschlossene Kürzungen der Basisfinanzierung nimmt dem Ehrenamt den Wind aus den Segeln und dämpft die Motivation. Auf Nachfrage bei Kunst- und Kulturvereinen in anderen Bezirkshauptstädten berichtet Jolanda de Wit vom okh Vöcklabruck: “Es wird in Vöcklabruck vorerst nicht bei den Vereinen und der Zivilgesellschaft eingespart, sondern ausschließlich bei städtischen Einrichtungen wie z. B. auch der städtischen Kunst- und Kultur GmbH.”  Auch in Braunau sind bisher keine Budgetkürzungen für Vereine bekannt. Die Lage sei zwar generell angespannt – was auch an späten Fördermittelzusagen von Seiten des Landes liege – aber drastische Kürzungen durch die Stadt seien bisher nicht angedacht, erzählt Angelika Weinberger vom Gugg Braunau.

Ried hat – genau wie alle Städte und Regionen – eine kritische und qualitätsvolle freie Kunst- und Kulturszene verdient. Denn diese sorgt für ein diverses kulturelles Angebot, initiiert künstlerisch-kulturelle Auseinandersetzungen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen, lädt ein zur Reflexion und ist wichtiger Innovationstreiber. Die freie Kunst- und Kulturszene erfüllt also wesentliche Funktionen. Die in Ried mühevoll und durch viel ehrenamtliches Engagement aufgebauten Strukturen werden nun angegriffen, aber noch lässt man sich vor Ort nicht unterkriegen.  Alle Sport-, Kunst- und Kulturvereine haben sich zusammengeschlossen, um mit starker gemeinsamer Stimme aufzutreten. Gemeinsam mit Lokalpolitiker*innen wird an einer Petition gearbeitet, um auch Land und Bund in dieser dringlichen Angelegenheit mit in die Verantwortung zu holen.

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