Quo vadis Ovilava?

Unter dem Motto „Wels gestaltet Kultur“ wird derzeit in der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs an einem Kulturleitbild gearbeitet. Thomas Philipp wirft einen näheren Blick darauf, wie und was da gestaltet wird.

Wås liegt, des pickt! Diese alte Kartenspielregel kann sinngemäß auch auf andere Bereiche übertragen werden – etwa wenn es um das Image einer Stadt geht, das dieser anklebt. Im Falle von Wels ist dies seit vielen Jahren die Prägung als „Messe- und Einkaufsstadt“. Adjektive wie „lebendig“, „dynamisch“ oder „charmant“ fügten sich im Laufe der Zeit hinzu, ohne sich von dem doch etwas biederen Image lösen zu können. Vor gut drei Jahren führte dann eine Neupositionierung der Stadt zum vorläufigen Markenkern „Wels ermöglicht“. Andreas Rabl, der freiheitliche Bürgermeister der Stadt, brachte das Image der Stadt unlängst in einem Interview so auf den Punkt: „Ich mache es in drei Worten: Wels pulsiert – verbindet – und ermöglicht!“ (Tips Wels, 16/2018, S. 3)

Kulturentwicklung in Wels und anderswo

Luftige und lustige Slogans alleine sind natürlich zu wenig, um einer Stadt ein neues Image nach außen zu verpassen. Es muss sich gleichzeitig in der Identität nach innen, im politischen Handeln und im alltäglichen Leben widerspiegeln. In Wels wurde daher beschlossen, die Neupositionierung vorrangig entlang der drei Themenfelder „Schöner Wohnen/Leben“, „Top Wirtschafts- und Bildungsstandort“ und „Umfassendes Freizeit-, Sport- und Kulturangebot“ zu entwickeln. Zum letztgenannten Themenfeld wurde letztes Jahr mit den Vorbereitungsarbeiten zur Erstellung eines Kulturleitbilds inklusive Maßnahmenkatalog begonnen. In den letzten Jahren wurden dazu ähnliche Vorhaben in Oberösterreich durchgeführt, die den Weg vorzeichnen. Die Stadt Linz beschloss 2000 einen ersten und 2012 einen neuen Kulturentwicklungsplan, die Stadt Steyr machte selbiges im Jahr 2008, die Stadtgemeinde Gallneukirchen zog heuer nach und das Land Oberösterreich verabschiedete 2009 ein Kulturleitbild für das gesamte Bundesland – dessen mangelhafte Umsetzung in der KUPFzeitung schon des Öfteren zu Recht kritisiert wurde.

Wie geht nun Wels vor?

Der Ablauf ist auf der Website der Stadt schön dargestellt. Neben einer Umfrage durch ein Meinungsforschungsinstitut, die großteils im Verborgenen durchgeführt wird, wurde vor kurzem ein Beteiligungsprozess gestartet, bei dem sich kulturinteressierte Welserinnen und Welser im Rahmen von Workshops einbringen können. Veröffentlicht wurde auch ein 50-seitiges Grundlagenpapier, in dem Rahmenbedingungen, kulturelle Aktivitäten sowie einzelne Leitsätze und Ziele für den Welser Kulturbereich festgehalten werden. Die Urheberschaft des Grundlagenpapiers bleibt allerdings für die Öffentlichkeit genauso im Dunkeln wie die Verbindung der Erkenntnisse daraus mit den folgenden Workshops, die nach einer Auftaktveranstaltung im Oktober starteten. Insgesamt sind drei Workshops zu den Themen „Publikum“, „Infrastruktur und Marketing“ sowie „Kulturprogramm“ angesetzt. Parallel dazu erfolgt die Redaktion des Kulturleitbilds – wobei unklar ist, wie diese „Blackbox“ funktioniert. Der Prozess soll irgendwann in einen Beschluss durch den Kulturausschuss und den Gemeinderat der Stadt Wels münden. Die Dokumentation der Workshop-Ergebnisse erfolgt zeitnah auf der Website. Positiv vermerkt werden muss hier, dass dies gut gemacht ist und auch weiterführende Themen und Ideen dokumentiert werden. Interessant wird es sein, zu beobachten, wie aus den Erkenntnissen des Grundlagenpapiers und der Workshops ein gutes Kulturleitbild entsteht, bei dem zwischen Zielen und Maßnahmen differenziert wird.

Erfolg und Misserfolg liegen oftmals nahe beisammen

Für ein endgültiges Resümee ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die vor allem von der Kulturverwaltung angetriebene Erstellung eines Kulturleitbilds eine begrüßenswerte Sache ist. Die Erarbeitung kulturpolitischer Ziele und Maßnahmen führt mitunter dazu, dass Kunst und Kultur besser profiliert werden können, es zu mehr Planungssicherheit kommt oder bislang zu wenig beachtete Themen einen höheren Stellenwert erlangen. Ob es dem Bürgermeister der Stadt Wels nicht nur darum geht, ein Kulturleitbild dafür zu verwenden, um geplante Einsparungen im Kunst- und Kulturbereich zu legitimieren, wird sich noch weisen. Immerhin ginge es ja um Kulturentwicklung und nicht um Kulturstagnation oder -rückentwicklung.

Betont werden muss, dass einige Kriterien über den Erfolg oder Misserfolg eines Kulturleitbilds mitentscheiden. Dazu zählt zuvorderst die politische Verantwortung, die sich etwa darin ausdrückt, dass mit der Formulierung von Zielen und Maßnahmen eine möglichst weitgehende Umsetzung selbiger intendiert ist. Die Verantwortung drückt sich auch darin aus, dass die im Prozess eingebrachte Expertise der in Wels arbeitenden Kunst- und Kulturschaffenden tatsächlich umfassend wahrgenommen und in das Kulturleitbild eingearbeitet wird – Stichwort „breiter Kulturbegriff“. Ein weiteres Kriterium lautet Transparenz. Der gesamte Prozess sollte in einem offenen Verfahren erfolgen, um für alle beteiligten Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar zu sein. Das scheint bis auf einige Punkte, die bereits weiter oben angesprochen wurden, in Wels weitestgehend der Fall zu sein.

Außerdem wichtig: Partizipation, d. h. die Anwendung geeigneter Beteiligungsverfahren. Es gilt hier, Verfahren der Nicht- und Scheinbeteiligung zu vermeiden und auf echte Beteiligungsformen zu setzen. Das gewählte Prozessdesign für das Welser Kulturleitbild mit drei offen gestalteten Workshops, die professionell begleitet werden, ist der richtige Ansatz dafür – wenngleich sich eine große Stadt wie Wels schon eine intensivere Auseinandersetzung mit kulturpolitisch relevanten Themen verdient hätte. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine Einladung zur Beteiligung und ein Gehört-Werden nur die untersten Stufen einer Partizipation sind. Echte Partizipation unterscheidet sich dadurch, dass auch Mechanismen zur Mitentscheidung und direkten Demokratie eingebaut werden und dass Maßnahmen ergriffen werden, um tendenziell ausgeschlossene Gruppen aktiv in den Prozess miteinzubeziehen. Inwieweit das in Wels der Fall ist, bleibt zumindest fraglich.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Wohin sich das Welser Kulturleitbild entwickelt, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten weisen. Es bleibt zu hoffen, dass die viele Arbeit, die von Kulturverwaltung, Künstler_innen, Kulturarbeiter_innen und kulturinteressierten Bürger_innen in den Leitbildprozess gesteckt wird, von der Politik entsprechend honoriert wird.

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Für den vorliegenden Text hat Thomas Philipp Gespräche mit Welser AktivistInnen geführt, die sich am Kulturleitbildprozess beteiligen. An sie ergeht an dieser Stelle ein besonderer Dank.

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