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Den Job macht man ja sowieso nicht ewig. Alt werden sollte man in der Szene lieber nicht. – Sätze, die man in der Freien Kulturszene oft hört.

Sätze, die uns zu denken geben sollten: Der freie Kulturbereich wird von Vielen als unveränderbar prekär gesehen, als toxische Umgebung für die eigene Karrierebahn. Manche haben den Eindruck, dass die Zeile zur Arbeit im Kulturverein im Lebenslauf eher eine Last als ein Vorteil sei. Unabhängig davon, mit wie viel Engagement und Professionalität sie tagtäglich für das Kulturangebot in Oberösterreich sorgen. Beispielsweise wenn sie Kinder haben möchten, stellen sich viele der Frage, ob ein Wechsel in eine große, abgesicherte Institution oder gleich in die Privatwirtschaft nicht doch besser wäre.

Auch für junge KulturarbeiterInnen ist es nicht leicht, Fuß in der Freien Szene zu fassen. Man muss nur die Neugründungen der letzten beiden Jahrzehnte mit der Aufbruchszeit in den 1980er Jahren vergleichen. Dass neue Kulturräume dauerhaft erobert und erhalten werden können, ist selten geworden. Noch seltener sind neue Fixanstellungen geworden, von fairer Bezahlung ganz abgesehen. Das Prekariat in der Freien Szene verschärft sich immer weiter.

Vom Erstarren

Österreichs Kulturpolitik ist in den letzten Jahrzehnten erstarrt. Niemand traut sich, an den großen Schrauben zu drehen. Die Veränderungen im Budget gehen selten über einstellige Prozente hinaus. Die großen Tanker wachsen weiter und weiter, die vielen Festwochen und Festspiele des Landes expandieren beständig. Die wenigen erfolgreichen Kommerziellen steigern durch ihre Marktmacht ihre Gewinne immer weiter. Der Kunstmarkt im Ganzen wiederum stagniert, gekauft werden nur noch die Bekanntesten.

“Der Kunstmarkt gleicht dem Kastensystem in Indien”, so Magnus Resch, der eine weltweite Studie über die Dynamiken des Kunstmarkts durchführen hat lassen: Nur 240 der 500.000 untersuchten KünstlerInnen haben bei “schwachen” Institutionen angefangen und konnten dann doch bei Top-Institutionen ausstellen. Seine Schlussfolgerung: Ohne politische Intervention wird sich nichts ändern.

In Österreich wurde gerade die Studie zur sozialen Lage der Kunstschaffenden und KulturvermittlerInnen veröffentlicht: Gut ein Drittel der befragten KünstlerInnen sind weiterhin armutsgefährdet. Die letzte Studie liegt 10 Jahre zurück, laut den AutorInnen “lassen sich wenige Veränderungen erkennen.“ In kaum einem Land ist der Kontrast zwischen dem Stolz auf die kulturellen Leistungen des Landes und der traurigen Lebensrealität seiner Kulturschaffenden so groß. Die Mozartkühe werden weiter hochgezüchtet, bis die Euter platzen. Die anderen müssen dazuverdienen, um sich ihre Kulturarbeit leisten zu können. Leichter tun sich da die ökonomisch gut Situierten. So drohen Kunst und Kultur wieder zum Elitespektakel zu werden.

Vom Eintreten

Es wundert vielleicht nicht, dass Kulturarbeit für viele nur Engagement auf Zeit bedeutet. Vielleicht ist es aber auch eine Frage einer verfälschten Wahrnehmung. Die mangelnde politische Wertschätzung haben wohl viele in der Kulturszene verinnerlicht. Wer permanent von der Politik signalisiert bekommt, dass die eigene Arbeit wenig wert sei, läuft irgendwann Gefahr, das für bare Münze zu nehmen. Und hört dann auf, Verbesserungen zu verlangen.

Das ist aber ein Fehler. Die Kulturszene leistet grandiose Arbeit, sowohl in den Ballungszentren als auch am Land. Die Szene arbeitet mindestens so professionell wie die Großbetriebe – mit deutlich weniger Budget. Unterm Strich zehnmal so effizient, und oft auch innovativer. Mit mehr gesellschaftlichem Wirkungspotential als viele der bürgerlichen Repräsentationshäuser. Österreichs KulturarbeiterInnen sind mit Herz und Hirn dabei, sie brauchen sich und ihre Leistungen nicht verstecken.

Wir müssen weiter laut dafür eintreten, dass sich die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich verbessern. Aber lieber mit geradem Rücken als mit der Schere im Kopf, dass Kulturarbeit wenig wert sei. Hören wir lieber auf unser Publikum, als auf jene, die uns geringschätzen. Seien wir stolz darauf, was wir machen. Lasst uns die Anerkennung vehement einfordern. Dann wollen wir auch wieder alt werden im Kulturbetrieb.

Empfehlungen / Verweise:

Interview Markus Resch „Der Kunstmarkt ist undemokratisch“
monopol-magazin.de

Studie: Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittlerinnen und -vermittler in Österreich 2018
kunstkultur.bka.gv.at

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