Kultur gegen Kollaps

Eine nachhaltige Wende soll unsere Zivilisation retten. Ohne Kunst und Kultur werden wir das nicht schaffen, argumentiert Rebecca Sandbichler.
Mit einem Comic von Stephan Gasser.

Klimawandel. Da geht es ja schon los. Um eine der größten Bedrohungen für das Leben auf unserem Planeten zu beschreiben, nutzten wir lange dieses gemächlich plätschernde Wort. Anschaulicher machte es Greta Thunberg in ihrer Rede beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos, als sie sagte: «The house is on fire.» Tatsächlich: Wenn die Arktis brennt, ist Feuer am Dach. Nicht alle, aber einige Menschen mehr als vorher, haben das kapiert. Wir sagen neuerdings immerhin «Klimakrise».

Dieses Nachdenken über Sprache zeigt, wozu Klimakultur gut sein könnte. Als Wortschöpfung ist dieser Begriff nicht mehr taufrisch. Das Klimabündnis Oberösterreich betreibt bereits seit 2005 die Plattform KlimaKultur, auf der es Informationen zu Veranstaltungsformaten teilt, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Außerdem berät und zertifiziert es Green Events; die KUPF ist eine von vielen Partner*innen. 2010 erschien der Sammelband KlimaKulturen. Soziale Wirklichkeiten im Klimawandel, der sich vor allem dem Kulturwandel widmet. Und vor einem Jahr entstand das erste Forum Klimakultur in Innsbruck, organisiert von der TKI – Tiroler Kulturinitiativen. Ein Tag, der visionären Kulturprojekten aus ganz Österreich eine Bühne gab und an dem Utopisches gesponnen werden konnte. Helene Schnitzer, Geschäftsführerin der TKI, resümierte, dass das Thema so brisant und grundsätzlich sei, dass die Kulturszene es nicht ignorieren könne: «Es ist in der DNA von Kunst und Kultur, sich mit aktuellen sozialen und politischen Fragen zu befassen.»

Aber wozu braucht die Kultur das Klima? Und wozu braucht das Klima die Kultur?

Der Duden definiert Kultur als Ausdruck «menschlicher Höherentwicklung». Ob Esskultur, Baukultur, Mode, Musik oder Malerei – all das haben wir im Laufe der Jahrhunderte und mit enormem Ressourceneinsatz in immer feineren Verästelungen wachsen lassen. Unsere Kreationen können flüchtig sein wie ein Tanz oder ein Katzen-GIF. Und doch werden sie ermöglicht von Ressourcen, die man aus der Erde buddeln, herausschöpfen oder ernten kann. Der Kollaps unserer natürlichen Lebensgrundlagen kann den Kulturschaffenden daher kaum egal sein.

Die nachhaltige Wende, die es dagegen braucht, ist bisher jedoch überwiegend technisch, naturwissenschaftlich oder ökonomisch betrachtet worden. Dabei spiele gerade die Kunst als Ausdruck des kreativen Handelns und «Sich-in-der-Welt-Orientierens» in Transformationsprozessen eine besondere Rolle, schreibt Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, in seinem kürzlich erschienenen Buch Die Große Transformation. Und weiter: «Auch wenn Technologien, Geschäftsmodelle und Politik wichtig sind – am Ende verändern Ideen und neue Wertvorstellungen die Welt.»

Ein schöpferisches Wir bilden

Wie kommen wir zu diesen Ideen? Die deutsche Kulturwissenschaftlerin Hildegard Kurt spricht von einem «schöpferischen Wir», das immer dort entsteht, wo Menschen «um ein Anliegen herum zusammenkommen – ohne Dogma, ohne fertiges Konzept, ohne Guru, ohne Chef» und sich ein Raum bildet «aus dessen Offenheit etwas in Erscheinung treten kann». Die kulturelle Revolution, so Kurt, werde aus der offenen Mitte heraus entstehen und es brauche Menschen, die «fragend, reflektierend, einander zuhörend, experimentierend Raum für das Aufkommen neuer Ideen und Lösungen schaffen.»

Lokal und regional arbeitende Kulturinitiativen sind besonders gut darin, solche Räume aufzumachen. Das Ideenspinnen und Träumen mit Gleichbesorgten kann geradezu therapeutisch sein, macht die Beschäftigung mit der Katastrophe erst erträglich. Haben wir also künftig nur den Klimawandel oder auch ein Wandelklima? Die Kultur könnte den Unterschied machen.

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