Gschicht’l druck’n

In den Programmkinos des Landes lief heuer Ruth Beckermanns Dokumentarfilm Waldheims Walzer. Kurt Waldheim war Meister im Storytelling. In den 1970ern war er Generalsekretär der UNO. In den Achtzigern kam heraus, dass er im Nationalsozialismus verantwortlich gewesen war. Die USA setzte ihn auf die Watchlist, Österreich wählte ihn zum Bundespräsidenten. Mit knapp über fünfzig Prozent der Stimmen gewann er 1986 die Stichwahl. Fred Sinowatz (SPÖ) interpretierte: Nur Waldheims Pferd sei also bei der SA gewesen. Die eigene Geschichte inkohärent darzustellen, ist eine Sache. Eine furchtbare Sache, wir sprechen hier von Beschönigung, Vertuschung, Lüge und von Massenmord. Die Story nicht zu hinterfragen oder zu prüfen, ist eine andere Sache. Die Geschichten, die vorhergehende Generationen erzählen, entsprechen nicht immer der Wirklichkeit. Das muss auch der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) noch lernen. Im Vorwort zu einer Publikation über die NS-Zeit stellte er seinen Großvater – NSDAP- und Wehrmachtsmitglied – als Widerstandskämpfer dar.

Auch Linz glänzte kürzlich: mit der Ablehnung der Stolpersteine. Die Story dieses Landes erzählt sich aber besser, wenn nichts an irgendwessen Vergangenheit erinnert. Es wäre ja noch nicht einmal um die Sichtbarmachung politisch Verfolgter oder von Menschen mit Behinderung gegangen – die in Österreich erst seit Mitte der 1990er Jahren als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt sind. Wenn es zur Profilierung taugt, gilt freilich ein anderer Maßstab. Da kann man schon einmal vor einer sogenannten Euthanasieanstalt der Nazis in die Kamera lächeln, wie kürzlich der stellvertretende Landeshauptmann Manfred Haimbuchner (FPÖ). Wenn er den Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim besucht, stellt sich die Frage, was er aus der Geschichte lernen will. Insbesondere in der Zeit vor dem Nationalsozialismus finden sich Anregungen, wie man Menschen nach ihrer Arbeitsfähigkeit bewertet und kategorisiert und wie man anhand dieser Kriterien Menschen ermuntert, (keine) Kinder zu bekommen. Es begann nicht mit der systematischen Ermordung von Menschen, die nicht ins Schema passen. Menschen vergleichen und bewerten und sie entlang ausgedachter Kriterien unterteilen: Diese Story funktioniert. Sie wurde über Jahrhunderte aufgebaut. Wir Menschen springen darauf an. Wir fühlen uns dazugehörig. Die anderen sind die anderen. Wir sind privilegiert. Heißt: Wir sind eigentlich diejenigen, die keine Angst haben müssen. Wir sind diejenigen, die aufstehen müssen, für die anderen! Wir müssen nur wollen. Eine Gnackwatsch’n für die große Erzählung der Angst. Wie werden kommende Generationen an uns erinnern? Wir holen schon einmal aus, zur Gnackwatsch’n an alle, die dann vor Gericht wahrscheinlich sagen werden: “Nur mein Smartphone war dabei.”

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