Schräge Vögel und Hackler*innen

Brigitte Theißl über die Zusammenhänge von Klimakrise, Aktivismus und Klassismus.

Schnitzel, Auto und Billigflug – es ist die heilige Trias, die den gemeinen Österreicher*innen gerne zugeschrieben wird und die sie gegen jede Vernunft und jede klimapolitische Ambition verteidigen. So zumindest oft gelesene Analysen im Feuilleton, das naserümpfend auf die Arbeiter*innenklasse blickt. Ein Veggie-Day pro Woche und mal mit dem Rad zur Arbeit? Undenkbar für durchschnittliche Hackler*innen aus Steyr. Dass Klassismus in der Klimabewegung nun endlich Thema ist, haben wir Aktivist*innen zu verdanken, die ihre Erfahrungen schonungslos und öffentlich thematisierten. Und tatsächlich hinterfragen immer mehr Organisationen kritisch, ob und wie sie klassistische Muster fortschreiben (unvergessen z. B. der «Bio macht schön»-Beutel der österreichischen Grünen). Das mag für manche banal klingen, doch der Kampf für eine gerechte Klimapolitik ist immer auch beinharter Klassenkampf.

Lassen wir Zahlen sprechen

Die reichsten zehn Prozent verursachten 2019 in Österreich mehr Treibhausgase als die gesamte untere Einkommenshälfte, das reichste Prozent allein verursachte rund elf Prozent der Gesamtemissionen, meldete das Momentum Institut. Momentum fordert deshalb unter anderem ein Verbot von Privatjet- und Kurzstreckenflügen sowie Vielfliegerabgaben. Die Party ist vorbei, möchte man dem Sylter Jetset zurufen – dort, wo die Letzte Generation einen Privatjet mit oranger Farbe besprüht hat. Schließlich sind es gerade Vermögende, die sich von den Folgen der Klimakrise ohne große Umstände – zumindest vorübergehend – freikaufen können. Keine schicke Dachgeschoßwohnung wird heute noch ohne Klimaanlage gebaut, die Mieten steigen in Städten vor allem dort, wo Wohnstraßen satte Begrünung und gut ausgebaute Radwege bieten und das kulturelle Angebot nicht allzu weit entfernt ist.

Wer kämpft für wen?

Unter den besonders vulnerablen Gruppen sind indes Armutsbetroffene und Menschen mit niedrigem Einkommen zu finden, die ohnehin unter einem durchschnittlich schlechteren Gesundheitszustand leiden. Den Kampf gegen die Klimakatastrophe und die enorme soziale Ungleichheit separat zu denken, mutet also geradezu absurd an.

Klimaaktivist*innen als schräge Vögel und Studierende mit zu viel Tagesfreizeit zu bezeichnen, kommt den Rechtskonservativen, Schutzherren der Vermögenden, da gerade gelegen. Die Aktivist*innen würden sich gegen eine Mehrheit, gegen die «normal denkenden» Menschen stellen, heißt es dann. Eine ähnliche Abwertung erfahren Kulturarbeiter*innen und (progressive) Kunst und Kultur schon seit Jahrzehnten – dabei ist gesellschaftliche Transformation hin zu einem guten Leben für alle ohne sie kaum denkbar. Auch wenn die hiesige Klimabewegung (ebenso wie große Teile des Kulturbetriebs) tatsächlich akademisch geprägt ist, würden jahrzehntelange Kämpfe für Umwelt- und Klimaschutz, die in der Arbeiter*innenklasse verankert sind, vielfach ausgeblendet, sagt die britische Autorin Karen Bell. Bell hat Klimaaktivismus über Jahrzehnte hinweg beobachtet und kommt zum Schluss, dass solche Kampagnen und Nachbarschaftsinitiativen oftmals keine Aufmerksamkeit bekämen. Etwa wenn Minderheiten sich gegen die Ansiedlung besonders schmutziger Industrien in ihren Wohnvierteln wehren, wenn lokale Initiativen für sauberes Wasser kämpfen oder wenn mit arbeitsrechtlichen Standards, die Gewerkschaften hart erkämpft haben, auch massive Verbesserungen im Umweltschutz einhergehen. Für sie ginge es oft um alles, sagt Bell. Menschen aus der Arbeiter*innenklasse seien weniger mobil – sich ein Haus in einem besseren Viertel zu kaufen, ist schlichtweg keine Option.

Alle müssen ins Boot

«Da wir die Umweltzerstörung direkter erleben, haben wir ein starkes Interesse daran, sie zu bekämpfen», schreibt Bell im Guardian. Global gesehen wirkt dieser Appell weit stärker: Dass der reiche Westen sehr viel mehr Emissionen verursacht, aber gerade jene Länder vom Klimawandel besonders betroffen sein werden, die nur einen Bruchteil zum globalen CO2-Ausstoß beitragen, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Ungleichheiten innerhalb nationaler Grenzen oder auch Stadtvierteln oder in Kunst und Kultur deshalb einfach wegzuwischen, ist dennoch keine Option. Im Kampf gegen die Klimakatastrophe gilt es schließlich alle ins Boot zu holen – und jene, die mit einer Yacht unterwegs sind, werden als erstes zurückstecken müssen.

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