Die Trolle sitzen in den Redaktionen

Mediale An- und Untergriffe auf Kulturinitiativen passieren. Less Journalismus, more Meinungsmache. Manche KIs freut das: Wer auf der Feindliste des Boulevards und der Regionalpresse landet, hat wohl vieles richtig gemacht.

Doch man darf es sich nicht zu einfach machen und sich am medialen Gegenwind nur berauschen – man muss auch austeilen. Besonders bieten sich dazu die Oberösterreichischen Nachrichten an; ihr Verhältnis zur progressiven Zeitkultur ist angespannt. Nach Jahren der friedlichen Koexistenz (man hatte eher wenig miteinander zu tun) wenden sich die OÖN wieder verstärkt der initiativen Kultur arbeit zu: Im November erfolgte eine recht überraschende Attacke auf den freien TV-Sender Dorf. Getrieben möglicherweise von ökonomischer Konkurrenz (das kleine Dorf hatte einem OÖN-nahen Sender ein Sendefenster weggeschnappt), wurde deftig aus der Hüfte geschossen: Pauschale Abstempelung des Contents bei gleichzeitiger Betonung der aufgewendeten Steuergelder produzierten eine recht eindeutige (negative) Stimmungsmache.

Im Mai nun der Nachschlag: Motiviert stürzte sich ein Linzer Lokalredakteur auf maiz, ein langjähriges KUPF-Mitglied mit hoher Reputation über den deutschen Sprachraum hinaus. Die migrantische Selbstorganisation maiz besticht mit multi-professionellen Aktivitäten, etwa in den Sparten Forschung, Bildung, Aktivismus, Kultur oder Beratung. Der Redakteur zitierte aus einem Projektantrag der Aktivist-Innen, dessen wissenschaftliche Sprache ihn offenbar überforderte: «Kontextualisierung von Phänomen(en) der Essstörung innerhalb der Migrationsgesellschaft durch Aufzeigen von Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen, gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Rahmen bedingungen, wirtschaftlichen Interessen, idealisierten Körperkonzepten, Rassismus, Homophobie, Sexismus und dem Ernährungs- und Konsumverhalten von migrantischen Jugendlichen.»

Eigentlich nichts, was einer Erstsemestertudierenden Angst machen würde. Aber anstatt einfach nachzufragen, verunglimpft der verunsicherte Schreiberling den maiz-Antrag lieber pauschal als «Geschwafel». Wettert im Chor mit den Freiheitlichen gegen «Mehrfachförderungen» (gemeint sind wohl die durchaus sinnvollen Kofinanzierungen). Und bedient sich derselben Taktik wie zuvor bei Dorf: pauschale, nicht begründete Kritik an den Inhalten bei gleichzeitiger Hervorhebung der Fördersituation.

Liebe Nachrichten: Kritik ist ja okay. Aber: Recherche, Faktenchecks und Ausgewogenheit sind dabei nichts, vor dem ihr euch fürchten müsstet. Probiert es einfach einmal aus!
Natürlich braucht man sich über Angriffe aus gewissen Ecken nicht wundern und kann sogar daran wachsen. Aber weil der mediale Mainstream uns alle betrifft, muss man auch ebendort intervenieren. Individuell, politisch, künstlerisch. Oder halt mit dieser handgeschriebenen Gnackwatsch’n.

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