Kärntner Zustände

Die freie Szene ist Kärntens größter kultureller Player. Um Stellenwert und Bedeutung der freien Kulturinitiativen zu erheben, hat die IG KIKK die freien Kulturinitiativen [1] ausführlich zu ihren Tätigkeiten befragt. Barbara Stüwe-Eßl über die Basisdatenerhebung und über aktuelle Entwicklungen der Kärntner Kulturpolitik.

«Kultur kostet Geld. Sie kostet Geld vor allem auch deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. (…) Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Haushalte zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich zumeist ‹Subventionen› nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subvention zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in die falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.»

Dieses Zitat des CDU-Politikers Richard von Weizsäcker ist gemeinsam mit einem Zitat von Wolfgang Sterneck, der die Notwendigkeit der Entwicklung einer selbstbestimmten Kultur hervorhebt, der Basisdatenerhebung der IG KIKK (Kärntner Schwesterorganisation der KUPF) vorangestellt. Eine sinnvolle Voranstellung, die Ergebnisse der Basisdatenerhebung der IG KIKK (Bezugsjahr 2013) beweisen: Die Freie Kärntner Szene hat allen Grund zu mehr Selbstbewusstsein – sie ist bezogen auf erreichte Menschen und Zahl der Veranstaltungen der größte kulturelle Player Kärntens. Politik- und Kulturverwaltung haben damit allen Grund, die viel zu niedrigen Förderungen zu erhöhen. Eine Zukunftsinvestition, die sich für das Land Kärnten jedenfalls lohnt.
Die Basisdatenerhebung wurde Ende Februar 2015 veröffentlicht. Die Ergebnisse sind nicht nur bezüglich des hohen Rücklaufs – knapp 80 % der 82 Initiativen haben geantwortet – sondern auch hinsichtlich der hohen Produktivkraft im Vergleich zur niedrigen öffentlichen Förderung und anderen erschwerenden Produktions- und Veranstaltungsbedingungen höchst beeindruckend [2]. Mit der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und Kultur stellen freie Kulturinitiativen einen hohen Identifikationsfaktor insbesondere für Jüngere her und wirken der Landflucht entgegen. Kulturförderung ist ein Return of Investment für das Land Kärnten, «eine gute Investition in die Zukunft, die sich auszahlt, und damit einer wirtschaftspolitischen Maßnahme gleichsetzbar ist.»

Facts & Figures für das Jahr 2013 im Überblick

* 3.732 Veranstaltungen (inklusive Volkskino Klagenfurt 5.167)

* durchschnittlich 10 Veranstaltungen täglich (14 inklusive Volkskino)

* Fördervolumen: Land Kärnten 469.915 €, Gemeinden 537.715 €, bm:ukk 504.100 €; 50 % der Finanzierung durch Eigenleistungen (inkl. Einnahmen)

* 1.431 Eigenveranstaltungen, davon 415 Eigenproduktionen

* freie Szene ist größte kulturelle Player Kärntens: 226.672 erreichte Besucher_innen (ohne 33.955 Volkskino-Besucher_innen); Vergleich Stadttheater Klagenfurt Saison 2012/2013: 224 Veranstaltungen mit 108.011 Besucher_innen

* Großteil arbeitet spartenübergreifend

* 47 % in Klagenfurt und Villach – nur 10% der freien Szene in Oberkärnten tätig (in fünf von zehn Kärntner Bezirken sind freie Kulturinitiativen gar nicht/nur spärlich vorhanden)

* hohe Strahlkraft nach außen und frische Impulsgebung nach innen: 87 % sind im übrigen Österreich, 68 % in EU-Staaten (davon 41% in Slowenien; 38 % in Italien) und 27% außerhalb der EU tätig

* fast 40% arbeiten im Kontext der slowenischen Volksgruppe

* kaum adäquate Honorierung von Kulturarbeiter_innen: 5 ganzjährige Vollzeitbeschäftigungen, 60 ganzjährige Beschäftigungen mit Honorar, Werkvertrag, Teilzeit- oder geringfügiger Beschäftigung und 273 nicht ganzjährige Beschäftigungen (4 auf Vollzeit- und 6 auf Teilzeit-Basis); Geschlechterverhältnis bei Beschäftigungen: 44% Frauen zu 56% Männern

* 1030 Personen ehrenamtlich/unentgeltlich tätig = von vier Personen arbeiten drei unentgeltlich (Geschlechterverhältnis ist mit 51% Frauen, zu 49% Männern ausgeglichen)

* 78% müssen auf private Räume für die Kulturarbeit zurückgreifen

* der durchschnittliche Förderbetrag aus der Kulturabteilung liegt zwischen 500 und 7.000 Euro

*2013 wurden wesentlich mehr Kulturinitiativen gefördert als in den Vergleichsjahren 2005, 2010 und 2011, auch das Gesamtvolumen stieg im Vergleich mit den Vorjahren, jedoch erhielten die einzelnen Kulturinitiativen gleichzeitig nicht höhere Förderungen

Fair Pay?

So gut die Bilanz für Kärnten ist, so schlecht ist sie bezogen auf die Existenzsituation der Kulturarbeiter_ innen, die diese Arbeit leisten. Dezidiert nicht auf eine Neiddebatte zielend, stellt die IG KIKK nüchtern und kritisch die «Relation von Förderung und der damit verbundenen Wertschätzung» betrachtend, die Pro-Kopf-Förderung durch das Land Kärnten für das Stadttheater von 93,74 € jener für die Freie Szene von 1,59 € gegenüber.
Dem Fördervolumen entsprechend ist die Prekarität der in der freien Szene tätigen Kulturarbeiter_innen groß, der Rückgriff auf ehrenamtliche Arbeit, meist handelt es sich um ‹unfreiwillig› unbezahlte professionelle Arbeit, sehr hoch. Kann die geleistete Arbeit bezahlt werden, so liegt die Bezahlung «im Vergleich zur Qualität der geleisteten Arbeit weit unter dem vertretbaren Maß.» Die immerhin 415 Eigenproduktionen sind bemerkenswert, «da die dafür zur Verfügung stehenden Rahmenbedingungen als bescheiden bis prekär bezeichnet werden müssen.» Häufig werden private Räume als Büros, Werkstätten, Proberäume etc. genutzt. Zum Aufbau der notwendigen räumlichen Infrastruktur sind langfristige Konzepte und mehrjährige finanzielle Zusagen seitens der Subventionspartner_innen notwendig.

Positive Ausblicke

Die geleistete freie Kulturarbeit wird mit dieser Erhebung gut sichtbar gemacht und damit hoffentlich zukünftig weniger marginalisiert werden. Durch persönlich geführte Interviews konnten bereits individuelle Hilfestellungen, eine Verbesserung der Vernetzung untereinander als auch innerhalb der IG KIKK hergestellt werden. Diese erhielt 2013 nach 13 Jahren erstmals wieder Förderung durch die öffentliche Hand [3] und damit wieder eine bessere Basis für notwendige Aktivitäten, die ehrenamtlich nicht zu leisten waren.
Vor allem aber heben die Daten den Selbstwert der freien Szene in Kärnten und signalisieren die «gewichtige, unübersehbare Größe» innerhalb der Kulturlandschaft. Eng mit dem Selbstwert ist Wertschätzung verknüpft. Letztere ist verbesserungswürdig, das zeigen auch die Zufriedenheitswertungen hinsichtlich der Kommunikation mit Subventionsgeber_innen in den Ämtern und Behörden. In der Durchschnittsbewertung nach Schulnotenvergabesystem schnitten alle Behörden, trotz teilweise großer einzelner Streuwerte, nur durchschnittlich ab (EU: 3,4; Land Kärnten: 3,2; Gemeinden: 2,95; bm:ukk: 2,8).
Bei den 2013 an die Freie Kärntner Szene vergebenen Subventionen liegt das Land Kärnten mit 469.915 € hinsichtlich des Fördervolumens erst an dritter Stelle; die Kulturabteilung des Landes vergab mit ihrem Anteil davon (360.416 €) nur 1,36 % des Kulturbudgets an Freie Initiativen. Beantragt wurden von diesen bei der Kulturabteilung 899.360 €, nur 40 % der beantragten Mittel wurden bewilligt.
In einer Presseaussendung zu Anfang des Jahres wies Landesrat Benger noch darauf hin, dass im Jahr 2014 die Förderungen durch die Kulturabteilung des Landes verdoppelt (rund 730.000 €) werden konnten. «Für ihn stelle», so die Kleine Zeitung die «freie Kärntner Kulturszene ‹eine der wichtigsten Säulen für die gesellschaftliche Entwicklung dar›, beteuerte Landeskulturreferent Christian Benger […] und stellte den ‹kulturellen Nahversorgern› Mehrjahresverträge sowie ein ‹einheitliches und für alle nachvollziehbares Fördermodell› in Aussicht. Motto des ÖVP-Politikers: ‹Die Zeit der Willkür ist vorbei.›»

Ernüchterung

Am 30. März dieses Jahres kam die Ernüchterung: Mittels Erlass der Finanzlandesrätin erfolgte ein Auszahlungsstopp sämtlicher budgetärer Mittel des Landes Kärnten, bedingt durch politische Altlasten rund um das Hypo-Alpe-Adria-Debakel. Dieser bringt aktuell den Großteil der Freien Szene in eine ungesicherte Warteposition: Förderansuchen liegen unentschieden in den Amtsstuben, bis den Politiker_innen des Landes hoffentlich noch vor Erscheinen dieses Artikels die Absicherung der Landesfinanzen gelungen ist. Bis dahin gehen die Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen ins volle Risiko. Sie müssen um ihre Vorhaben, bereits geleistete vertragliche Bindungen, getätigte Ausgaben für Vorbereitungsarbeiten und zumindest um einen Teil ihrer eigenen finanziellen Existenzgrundlage bangen und ihre Pläne für 2015 häufig völlig neu ausrichten. Immerhin signalisiert der Bund Auffangbereitschaft, etwa dadurch, in Kärnten unentschiedene Subventionseinreichungen noch vor dem Sommer in die entsprechenden Bundesbeiräte zu geben. Auch die IG KIKK ist wieder auf ehrenamtliche Arbeit zurückgeworfen. Ihre Mitglieder leisteten 2015 bereits sehr viel ehrenamtliche Arbeit, wie die Koordination einer breit unterstützten Kundgebung und die Organisation eines ersten Jour Fixe der Kulturinitiativen mit Kulturlandesrat Benger am 5. Mai u.v.a.m.

Zu Redaktionsschluss ist noch viel zu vieles offen. Wahrscheinlich nicht erspart bleibt dem Kulturbereich eine 15 %-Kürzung, die angesichts der ohnehin sehr niedrigen Einzelförderungen der zeitgenössischen Freien Szene desaströs ist. Zu hoffen bleibt, dass bald eine finanzielle Lösung für Kärnten gefunden wird und Kulturlandesrat Christian Benger sich wie beim Jour Fixe am 5. Mai versprochen mit ganzer Kraft für die Kärntner Kultur-Szene einsetzt und, falls er sich nicht durchsetzen könne, für Verteilungsgerechtigkeit bei der Kürzung der Mittel jenseits der gleichmäßigen Beschneidung aller Förderakte findet.  


[1] Die Kernkriterien freier Kulturarbeit definiert die IG KIKK über die Faktoren zeitgenössische Kulturarbeit, Veranschaulichen und Hinterfragen gesellschaftlicher Prozesse, Unabhängigkeit von Gebietskörperschaften und religiösen sowie politischen Gruppierungen und Sensibilität gegenüber gesellschaftlich benachteiligten Gruppen. (IG KIKK 2014: 5)

[2] Radio Agora wurde aufgrund der schwierigen Vergleichbarkeit der Daten aus der Erhebung genommen, das Volkskino Klagenfurt bezüglich Besucher_innenzahlen und Veranstaltungstagen gesondert dargestellt.

[3] Ab 2000 wurde es nicht nur um die IG KIKK in Kärnten relativ still: „Die freiheitliche Kulturpolitik zeigte wenig Interesse, die freie Kulturszene in ihrer Entfaltung zu fördern. Eines der ersten Opfer dieses politisch intendierten Spaltungsprozesses war die IG KIKK. Für 13 Jahre wurde die Förderung vonseiten des Landes auf null gestellt.“

Literatur:
Interessengemeinschaft der Kulturinitiativen in Kärnten / Koroška (Hg.) (2014): Basisdatenerhebung der Kulturinitiativen in Kärnten / Koroška. Klagenfurt /Celovec, siehe:
igkikk.at

Dieser Artikel ist erstmals im Mai 2015 in gift — Zeitschrift für freies Theater  erschienen und wurde für die KUPFzeitung aktualisiert.

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