Wie es war

Luftzug. Literaturkolumne von Anna Weidenholzer

Hoch über dem Atlantischen Ozean sehe ich einer Katze beim Ausführen ihrer Träume zu. Suchend geht sie herum, wieder und wieder versucht sie, etwas zu fangen, das nicht da ist, sie kämpft mit einem unsichtbaren Gegner, es sind gespenstische Bilder. Die Aufnahmen sind aus den 1960er Jahren, der Katze wurden jene Teile des Gehirns entfernt, die im REM-Schlaf ihre Muskeln lähmen, erklärt der Wissenschaftler, der aus dem Fernseher spricht. Ihr Verhalten sei nicht willkürlich, sagt er, die Katze macht, was sie sonst auch machen würde, wahrscheinlich träumt sie davon. Zwei Reihen weiter hört ein Mann nicht zu husten auf, ein anderer schläft trotzdem laut. Der Steward trägt ein Tablett mit Getränken vorbei. Wenn Sie im Sessel einschlafen, sagt der Wissenschaftler, wenn der Kopf zur Seite fällt und der Mund aufklappt, treten Sie nicht in die REM-Phase ein, während der REM-Phase sind Ihre Muskeln nahezu gelähmt, Sie würden zu Boden fallen.
Wir fallen nicht von den uns zugewiesenen Sitzplätzen. Ich sehe dem Flugzeug am Bildschirm zu, wie es Wien näher rückt, es geht langsam voran. Gibt es Wien noch? Wien ist, wie es war, hat einer gesagt, komm gut zurück.
Nach der Landung wird uns der Donauwalzer vorgespielt, wir rollen langsam über die Landebahn. Silvester, denke ich, und daran, dass diese Verbindung den Amerikanerinnen und Amerikanern hier im Flugzeug vielleicht unbekannt ist. Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt sitzen, bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben. Gelb sind die Flughafenfahrzeuge, die Hinweisschilder, gelb ist die Raiffeisenwerbung, die auf jeder Fluggastbrücke angebracht ist. In der Ankunftshalle hält ein Kind einen Blumenstrauß und ein Mann ein Schild, auf dem Novomatic steht. Vorbei an den Fahrern in Anzügen, die Zettel in die Höhe strecken, oder auf ihr Telefon schauen, hinüber zum gut versteckten Lift. Ich bin im Erdgeschoß, spricht dort ein Mann in sein Telefon: Jetzt schließen sich die Türen. Nein, sie gehen wieder auf, ein Herr hat den Knopf gedrückt, jetzt gehen sie wieder zu, wir fahren in den ersten Stock, warte, ja, jetzt sind sie offen, jetzt bin ich hier, warte. Ich weiß nicht, wo ich bin, es ändert sich nichts, ja, es wird immer so sein.
Der Mann trägt ein beiges Hemd und eine Jacke aus Stoff, er bleibt im Flughafengebäude. Draußen riecht Wien nach Sommer, obwohl der März erst heute beginnt, in New York und Chicago war viel Eis gewesen. Dort ragten die Häuser weit über den Kopf, wie niedrig sie hier sind, sie werden bald wieder höher sein.

Anna Weidenholzer ist Autorin, lebt und arbeitet in Wien und Linz.

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