Nachsommer

von Anna Weidenholzer

Aus dem Wald geht man nicht ohne nichts nach Hause, sagt S. Er sagt es anders, als es hier steht, er sagt es, wie Menschen in Bad Goisern diesen Satz sagen. Aus dem Wald geht man nicht ohne nichts, auch aus dem Sommer nicht.

Der Sommer brachte Tage, die länger waren als die anderen. Es gab Tage, die wie die anderen waren, es gab Tage, die anders waren. Es gab den Mann, unter dessen Lebensbaum ich lag. Er kam, umarmte einen Ast, streichelte den Baum, sagte: Wie liegt es sich unter der Hainbuche, das ist nach indianischer Weisheit mein Lebensbaum, der ist so vielseitig, in alle Richtungen. Dann ging er wieder. Es gab zwei ältere Frauen, die ihre Klappräder gegen einen anderen Baum lehnten, Gesprächsfetzen ließen: Armselig. Ich habe gesagt, Lisbeth. Dann hat er noch herzlich gelacht, direkt so gezuckt hat er. Und dann sind sie mit Schüsseln gekommen.

Es gab eine Braut, die sich vor dem Schild Privatbesitz fotografieren ließ. Es gab einen Vogel, der mir auf den Kopf machte, eine Bremse, die mich ins Augenlid stach, einen Hund, der einen Holzprügel auf meinen Bauch fallen ließ. Das alles an einem Tag, dem Tag, an dem die Tiere gegen mich waren. Das Glück ist, glaube ich, so verteilt wie das Unglück, es trifft alle, schrieb Thomas Bernhard: Glück, das ist eine relative Sache. Und sogar der Einbeinige hat noch Glück, weil er eben noch ein Bein hat. An dem Tag, an dem die Tiere gegen mich waren, sagte ein Pensionist, man muss zufrieden sein mit dem, wie es ist. Er badete nackt, wo sonst niemand nackt war.

Es gab Boretschblüten, Eiskaffee, Schwimmen im See. Es gab eine Frau, sie sagte zu ihrem Hund: Mein Herz, dich versteht niemand. Es gab einen Mann, der die Schlagzeile las: Die Dicken werden europaweit gejagt. Es gab einen Schaffner, der im Zug durchsagte: Werte Fahrgäste, aus gegebenen Anlass möchten wir Sie darauf hinweisen, auf Ihre Wertgegenstände zu achten, insbesondere, wenn Zeitungsverkäufer durch den Waggon gehen. Es gab einen Mann mit Migrationshintergrund, der Zeitungen durch den Zug trug; der sagte, das macht er jedes Mal, der Schaffner, denken Sie, ich stehle. Es gab Leute, die lachten, die über ihn lachten, und es gab den Zeitungsverkäufer, der diesen Satz immer wieder sagte.

Aus dem Wald geht man nicht ohne nichts nach Hause, sagt S. Auch aus dem Sommer nicht. Im Winter, Herbst und Frühling ist das nicht anders. Aber die müssen erst kommen.

Anna Weidenholzer ist Autorin, lebt und arbeitet in Wien und Linz.

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