Erst kommt das Fressen und dann das Ehrenamt!

Stefan Haslinger über zwei Dimensionen und eine Konklusio, die bei der Frage des Ehrenamts oft unberücksichtigt bleiben!

 

Knapp 562.000 Personen sind in Oberösterreich ehrenamtlich (freiwillig) tätig. 11 Millionen Stunden werden pro Monat ehrenamtlich geleistet. Das heißt, dass fast 40% der Oberösterreicherinnen sich ehrenamtlich engagieren. Das heißt weiter, dass hier ein riesiges Potential vorhanden ist, das gelobt, geliebt und mit großer Zuneigung bedacht werden will.

Das soll gar nicht zynisch klingen, sondern eher die realen Gegebenheiten widerspiegeln, die politische Verantwortungsträgerinnen auf das Ehrenamt projizieren. In Oberösterreich gibt es dafür mehrere Beispiele, das „jüngste“ davon ist wohl der selbsternannte „Anwalt der Ehrenamtlichen“ Landtagspräsident Fritz Bernhofer. Bernhofer hat sich zur Aufgabe gemacht „die Arbeit der Ehrenamtlichen „vor den Vorhang zu holen“ und aufzuzeigen, welche immens wichtige Rolle sie in unserer Gesellschaft einnehmen.“ So löblich dieses Ansinnen ist, bleiben in der politischen Debatte mehrere Dimensionen unbeachtet, die für das freiwillige Engagement unabdingbar sind.

Die ökonomische Dimension Der Bericht zu „Struktur und Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich“ von 2008 hat es einmal mehr verdeutlicht: Überdurchschnittlich engagiert sind Personen, die erwerbstätig sind, sich also das Ehrenamt leisten können. Es braucht also – einmal pauschal formuliert – eine ausreichende ökonomische Basis, um neben der Erwerbsarbeit auch noch freiwillig tätig zu sein. Dem folgend muss der Schluss daraus äußerst pessimistisch sein: Wenn – wie immer durch die Krise – die Menschen in Österreich die ökonomische Grundlage für den Lebensunterhalt verlieren, sinkt auch die Bereitschaft, freiwillig tätig zu sein. Das hieße in weiterer Folge aber, dass das praktizierte Gesellschaftsmodell, das sich auf die ehrenamtliche Arbeit stützt, zusehends gefährdet ist. Denn dieses große Verlassen auf die Bereitschaft zum Ehrenamt kann nicht länger als sakrosankt angenommen werden. Die Entsolidarisierung als eine Folge des neoliberalen Wettbewerbkampfes beweist es. Gerade deshalb erscheint es geradezu absurd, wenn Politikerinnen von der EU bis zur Landeshauptfrau Sätze von sich geben wie „Man wird halt in Zeiten wie diesen wieder mehr in die Ehrenamtlichkeit investieren müssen.“ In Zeiten wie diesen muss darin investiert werden, dass sich die Menschen das Ehrenamt leisten können, so ist das!

Die soziale Dimension Schon einmal daran gedacht, was einem Mitglied eines Kulturvereins passiert, die sich im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit verletzt, dadurch arbeitsunfähig ist und das vielleicht für lange Zeit oder dauerhaft? Es widerstrebt mir zwar grundsätzlich, auf der Gefühlsorgel zu spielen, doch müssen solche Fragen im Kontext ehrenamtlichen Engagements gestellt werden. Wie und wo sind Personen sozial abgesichert, abgesehen von der Möglichkeit privater Zusatzversicherungen? Das Land Vorarlberg hat diesbezüglich ein Modell entwickelt, um solche Härtefälle zu unterstützen. Im Rahmen einer subsidiären Landeshaftung werden Personen sozial abgesichert, die bei der Ausübung ihres ehrenamtlichen Engagements zu Schaden kommen. Ein Vorzeigemodell, vor allem auch deshalb, weil es nicht nur den „klassischen“ Sozialbereich abdeckt oder im Rahmen etwaiger Modellprojekte abgehandelt wird. In Oberösterreich, dem Vorzeige- und Spitzenland der Freiwilligenarbeit ist davon nichts zu bemerken.

Konklusio Wie schon erwähnt wird auf politischer Ebene das Ehrenamt als Garant gesellschaftlichen Zusammenhalts gesehen. Und darüber hinaus gibt es die Tendenz, das Ehrenamt als Instrument der Krisenbewältigung zu verstehen. Die EU-Kommision schreibt z.B. in ihrer Begründung für das Jahr der Freiwilligenarbeit 2010:„Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es für die Europäische Union besonders wichtig, den Wert des freiwilligen Engagements anzuerkennen.“ Den Wert anerkennen ist ja relativ einfach, aber prekär wird es, wenn genuin sozialstaatliche Aufgaben an das Engagement freiwillig Tätiger delegiert werden, die dann ohne ökonomische und soziale Absicherung agieren (müssen?). Es muss also darum gehen, den Wert des freiwilligen Engagements nicht nur anzuerkennen sondern auch zu bewerten. Von der Anerkennung durch Preise, Medaillen oder Abzeichen kann niemand leben.

Voraussichtlich im Spätherbst findet ein Symposium von KUPF und IG Kultur Steiermark statt, dass sich den hier aufgeworfenen Problemen widmet und aus Mitteln der Gesellschaft für politische Bildung teilfinanziert ist.

Stefan Haslinger ist in der Geschäftsführung der KUPF, und ehrenamtlich im Vorstand der IG Kultur, des KV Waschaecht, des Alten Schlachthof und des Sonnenhaus Lambach tätig.

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