Zum Festival der Regionen 2001. Was als Bericht begann und als Kommentar endete.
von Ulrike Stieger und Andi Liebl
Beim diesjährigen Festival der Regionen wurden in der letzten Juniwoche rund 40 Projekte präsentiert. Mit einer Beteiligung von ca. 400 KünstlerInnen und mit über 1200 Mitwirkenden fanden rund 140 Veranstaltungen statt. Das produktive künstlerische Kapital in Oberösterreich, wie die große Resonanz auf das Festival der Regionen werden durch 137 Projekteinreichungen verdeutlicht, die im Herbst letzten Jahres juriert wurden. Über 100 Projekte konnten also nicht berücksichtigt werden.
Im Vorfeld des Festivals bemühte sich das Mittagsmagazin des Linzer Freien Radios, Radio FRO, die Projekte inhaltlich vorzustellen und lud ProjektbetreiberInnen in ihr Sendestudio. Somit war es für die KUPF auch leichter, schon vor der Durchführung des Festivals einen Beitrag darüber zu schreiben.
Der Titel „Das Ende der Gemütlichkeit“ sollte zu einer künstlerischen Betrachtung, Begleitung und Intervention einer – wie das Festival der Regionen meint – zutiefst österreichischen Befindlichkeit einladen. Teilweise befürchtet, teilweise erhofft, in direktem Zusammenhang stehend oder künstlerisch abstrakt, signalisierten die umgesetzten Projekte unterschiedlichste Standpunkte. Zweifelsohne haben sich alle Projekte mit der Thematik intensiv auseinandergesetzt. Von einer „Durchlässigkeit“ des Themas zu den Arbeiten und deren BetreiberInnen kann also gesprochen werden. Wie sehr sich das „Ende der Gemütlichkeit“ längerfristig im Bewusstsein verankern wird, bleibt dahingestellt. Ebenso sei anzumerken, dass die Motivation zur Projekteinreichung nicht allein das vorgegebene Thema darstellt, sondern mehr die Aussicht auf finanzielle Mittel.
Der Ansatz, themenbezogen Geld zu verteilen und die geförderten Projekte kompakt wie professionell in einem vorgegebenen Zeitrahmen der Öffentlichkeit zu verkaufen, unterscheidet das Festival der Regionen von der Arbeitsweise der Kulturinitiativen gewaltig -aber eben auch die strukturellen Voraussetzungen. Den Löwenanteil des Gesamtbudgets von rund 14 Millionen trug die öffentliche Hand. Die Projekte selbst steuerten einen Betrag von zirka einer halben Million Schilling in Form von Eigenleistungen bei. Zum Vergleich sei anzumerken, dass rund 90 KUPF-Vereine vom Land Oberösterreich mit ca. 12 Millionen Schilling im Jahr gefördert werden und einen geschätzten Eigenleistungsanteil von über 50 % zur Umsetzung ihrer Jahresaktivitäten aufbringen. Dies ist vielleicht ein wackeliger Vergleich, weil neben dem Land auch der Bund (wenn auch immer bescheidener) und die Gemeinden wichtige SubventionsgeberInnen sind und die Jahresetats der Kulturinitiativen noch etwas erhöhen. Eine kritische Anmerkung zum Ungleichgewicht zwischen Projekt- und Strukturförderung bringt dies dennoch zum Ausdruck.
Während einer Woche scheinen alle Gesetze aufgehoben, die auf Kulturinitiativen angewandt werden. Kulturarbeit wird löblicherweise zu Realkosten abgegolten und die Projekte erhalten größte mediale Beachtung. Davon kann ein ehrenamtlich agierender Vorstand von Initiativen nur träumen, denn seinem Anliegen nach bezahltem Personal wird von seiten der FördergeberInnen kaum nachgegeben (ausgenommen Gagen von KünstlerInnen) und die mediale Rezeption findet so gut wie gar nicht statt. Wieder ein Vergleich, der lediglich auf die Verdeutlichung der Problematik kontinuierlicher Kulturarbeit im Wertesystem einer von Glanz und Innovation getriebener Kulturpolitik abzielt. Der Cultural Highway beispielsweise, ein anderes Projekt, das ebenfalls mit der Empfehlung des Landeskulturbeirates zu einer Umsetzung finden sollte, liegt nach wie vor brach, würde aber eine klare Strukturoffensive zur technologischen Aufrüstung der Kunst- und Kulturschaffenden in Oberösterreich darstellen.
Die Entwicklung des projektbasierenden Festivals zeigt ganz deutlich die Bedeutung von Produktionsbedingungen auf. Auch wenn Kulturinitiativen als ursprüngliche ProjekteinreicherInnen eine Minderheit darstellen, fanden sie in der Vergangenheit durch den Rückgriff auf ihre Infrastruktur immer wieder ihre Verankerung bei Projekten des Festivals der Regionen. Eine Tatsache, die gleichermaßen den InitiatorInnen als auch den Kulturinitiativen positiv im Bewusstsein bleiben muß. Das ausgerufene beziehungsweise in Frage gestellte Ende der Gemütlichkeit überzog sich hauptsächlich über die Schwerpunktregion Mühlviertel. Und mit Beilagen sowie Artikel in diversen bürgerlichen Medien über ganz Oberösterreich. Die strategisch ausgeklügelte Wahl von MedienpartnerInnen und die Verankerung einer Vertreterin des ORF im Beirat des Festivals der Regionen eröffnete auch dieses Jahr eine Berichterstattung, die für doch auch widerspenstige und abseits des Mainstreams stehende Projekte eine einzigartige Öffentlichkeit bescherte. Das ist das Löbliche am Festival der Regionen und auch das Wichtige für die Projeke selbst. Entgegenzuhalten ist dieser Strategie die Frage, ob damit die Durchführung des Festivals in der gewonnenen (und natürlich auch erkämpften) Gemütlichkeit verharrt?
Mark Terkessidis‘ Überlegung folgend, kann gesellschaftskritische Kunst letztenendes nicht in reale Veränderungsprozesse eingreifen, da sie von Politik, Wirtschaft und der Gesellschaft selbst in ihre eigenen Schranken gewiesen wird. Daraus können sich für ein Zeitkultur/Kunstfestival lediglich zwei erstrebenswerte Ziele ergeben. Eines wäre eben, im eigenen Feld Protagonistin zu sein. Dazu wäre es notwendig, sich viel stärker dem kunst- und kulturkritischen Diskurs auszusetzen. Zweiteres würde bedeuten, der traditionellen Kunst- und Kulturproduktion den Rücken zuzuwenden. Mit der geplanten Programmation eines Symposiums zur Prekarisierung von Arbeit wäre ein Schritt in diese Richtung gesetzt worden. Schade also, dass gerade diese Auseinandersetzung auf der Strecke blieb.
Ulrike Stieger Andi Liebl