Erbgut

In Oberösterreich gibt es die Tradition, landwirtschaftliche Betriebe, so sie mindestens über 200 Jahre hinweg in einer Familie geblieben sind, mit dem Ehrentitel des „Erbhofes“ auszuzeichnen.

 

von Andi Wahl

Die Bauersleut‘ erhalten durch Beschluß der Oberösterreichischen Landesregierung eine prächtige Urkunde und eine Tafel mit der Aufschrift „Erbhof“ ausgehändigt, um diese an geeigneten Stellen zu montieren. Interessant an der Sache ist, was hier ausgezeichnet wird: ein Mindestmaß an Veränderung und ein, durch Vererbung unter Beweis gestelltes, Höchstmaß an Familiensinn.

Das Bild des Erbhofes dürfte auch in etwa widerspiegeln, wie sich die derzeitige Bundesregierung ein Österreich nach der vielbeschworenen Wende vorstellt. Ein Bild, das bereits in der österreichischen Monarchie beschworen wurde: Eine hierarchische Gesellschaft, in der zwischen dem Bauern (Kanzler) und dem Herrgott nur noch der Kaiser steht. Gut, den Kaiser müssen wir auswechseln – soweit sind wir schon. An seine Stelle treten die Anforderungen der globalisierten Wirtschaft, denen es fortan zu dienen gilt, aber die hierarchische Grundstruktur kann noch Generationen halten.

Aber genau diese Anforderungen der Wirtschaft sind es, die das dumpfe aber geruhsame Leben des Erbhofes Österreich zu stören drohen. Immer lauter fordert „die Wirtschaft“ doch endlich, die kleinkarierte Fremdenfeindlichkeit beiseite zu lassen und ausreichend Arbeitskräfte ins Land zu lassen. Immerhin gilt es, im Wettbewerb zu den Nachbarhöfen zu bestehen. Alleine mit den Familienmitgliedern wird das nicht zu machen sein. Auch wenn man die Großmutter, unter der Androhung, ihr noch mehr Wasser in die Rahmsuppe zu kippen, von der Ofenbank auf das Feld jagt.

Der vom „leider-nein-Millionär“ zum „ja-freilich-Milliardär“ aufgestiegene Hannes Androsch spricht sogar von „wirtschaftspolitischem Hochverrat“, wenn die Grenzen nicht für mehr Arbeitskräfte geöffnet werden.

Das mag er aber gar nicht, unser Bauernkanzler und seine Frau schon gar nicht, wenn da Menschen mit ihren fremdländischen Haxen plötzlich auf der ererbten Scholle stehen. Aber das ist eben das blöde an so hierarchischen Systemen, dass meistens noch einer drüber ist. Da heißt es dann gehorchen.

Aber auch für solche Fälle haben wir im reichen Fundus alpenländischer Traditionen vorgesorgt. Erinnern wir uns doch an das Los der LandarbeiterInnen, der Knechte und Mägde. Kein Bleiberecht – zu Maria Lichtmess mussten sie oft den Hof wechseln, zu wenig Verdienst, um sich eine Familie aufbauen zu können, und im Alter mussten sie Betteln gehen.

Oder um die Methode wieder zeitgemäß abzuwandeln: Keine demokratischen Rechte für MigrantInnen, Saisonarbeitskräfte, die nach einer gewissen Zeitspanne wieder gehen müssen, und Zuzug von Arbeitskräften zulasten der Quote für den Familiennachzug.

Weiterhin, und vermehrt, sollen Menschen, denen grundlegende BürgerInnenrecht vorenthalten werden, den Wohlstand jener Gesellschaft sichern, die sie nicht mitreden lässt. Und mir steigt wieder jener Mief in die Nase, der mich vorsorglich die Messer wetzen lässt. Die stecke ich dann ein, wenn es wieder einmal darum geht, auch für MigrantInnen Gleichbehandlung einzuforden.

Andi Wahl

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