Gerfried Sperls „Umgefärbte Rebuplik“ hat Stefan Haslinger gelesen.
Natürlich! Am einfachsten ist es Österreich anzusehen, die Entwicklung der letzten (drei) Jahre zu betrachten, und dann den Schluss zu ziehen, dass alles auf nationale Enwicklungen beschränkbar ist, welche durch die Umfärbung der Republik durch die schwarz-blaue Regierung geschehen sind.
Gerfried Sperl, Chefredakteur des Standard, geht in seinem Buch ‚Die umgefärbte Republik – Anmerkungen zu Österreich‘ einen, oder gleich mehrere Schritte weiter, und stellt die Tendenzen und Sachverhalte in einen größeren Zusammenhang. So ist der Gedanke von einem Staat, der durchwegs wirtschaftshörig agiert und im Gegenzug Sozialleistungen vermehrt auslagert und individualisiert, keine Erfindung von Wolfgang Schüssel und seiner Crew, sondern ein verbreiteter Trend innerhalb der weltweiten neokonservativen Bewegungen. Oder wie auf Seite 27 zu lesen ist: „Der fürsorgende Staat und das Konzept des subventionierten Kulturliberalismus der Jahrzehnte der Großen Koalitionen und der sozialdemokratisch geführten Regierungen in Zentraleuropa und Skandinavien waren offenbar nur eine Episode der neueren Geschichte.“ Aber nicht nur der Frage nach den globalen Umwälzungen und deren Einfluss auf die österreichische Innenpolitik wird nachgegangen, sondern Sperl schafft auch eine akribische Auflistung der Umfärbungsmechanismen, welche Schwarz-Blau seit dem Februar 2000 vorgenommen hat. Die Personalrochaden im Innenministerium unter Ernst Strasser werden ebenso beleuchtet wie jene im Verteidigungsministerium unter Herbert Scheibner.
Ein zentrales Kapitel des Buches trägt den Titel: „Macht über Verfassung und Recht“ (S. 100). In diesem werden einmal mehr die Ausritte Jörg Haiders gegen den Verfassungsgerichtshof dokumentiert, aber darüber hinaus wird eine „Trendumkehr“ genereller Natur konstatiert, die durch Beispiele wie die Abschaffung des Jugendgerichtshofes, oder den Versuch „grüne Abgeordnete als Vertreter einer gewaltbereiten Demonstrantenszene zu markieren“, belegt wird.
Das letzte Kapitel (Vollendung) widmet sich schließlich einer Analyse, wie es zu den Neuwahlen im November 2002 kam, und einer Prognose was schwarz-blau nun bringen könnte. Ganz zum Schluss macht Sperl einen direkten Vergleich zwischen den Kontrahenten Wolfgang Schüssel und Jörg Haider und kommt unter anderem zu jenem, durchaus amüsanten Ergebnis: „Beide gelten als katholisch. Bei Haider ist es eine (politische) Neigung zur Volksfrömmigkeit und ein (nützliches) Bekenntnis zur Familie, das ihm die Freundschaft mit dem St. Pöltener Diözesanbischof Kurt Krenn eingebracht hat. Für Schüssel war der Katholizismus auch ein Instrument seiner jugendlichen Sozialisierung, weshalb sich für ihn eine rituelle Breite zwischen Jazzmesse und Buch Kohelet entwickelte, die typisch ist für die Gemeindechristen in der Ära von Kardinal Franz König. Moralisch und theologisch ist Schüssel stockkonservativ, was seine Haltung zu Homosexuellen ebenso erklärt wie seine Zurückhaltung gegenüber der Initiative ,Dialog für Österreich’“ (S. 151) Gerfried Sperl hat mit seinem Buch eine profunde Analyse der österreichischen Innenpolitk v.a. der letzten drei Jahre geliefert, die den LeserInnen ein besseres Verständnis der – aktuellen – politischen Vorgänge vermittelt.
Als ,kritische’ 🙂 Gegenlektüre empfiehlt der Rezensent das Buch: „Die Wende ist geglückt – Der schwarz-blaue Marsch durch die Wüste Gobi“ vom nunmehrigen Nationalratspräsidenten Andreas Khol.
Sperl Die umgefärbte Republik Anmerkungen zu Österreich Zsolnay, Wien, 2003 ISBN 3553053186 164 Seiten, EUR 16,40