Josef Zedong & KonsortInnen

Thomas Philipp’s zugespitzte Analyse der Parteiplakate für den oberösterreichischen Landtagswahlkampf 2003

„Wir Männer müssen umdenken, nicht die Frauen!“ Beinahe noch verwirrender als dieser Spruch auf den FPÖ-Wahlplakaten in Verbindung mit dem Konterfei des Spitzenkandidaten scheint das freiheitliche Programm zu frauenpolitischen Themen für den Landtagswahlkampf 2003 zu sein: „… viele Frauen haben es noch immer schwerer als Männer …“ oder „Dagegen sind viele Entscheidungsbereiche in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nach wie vor den Männern vorbehalten“ steht dort geschrieben.1

Man könnte meinen, die FPÖ hätte sich auf ihren Plakaten verschrieben, auch wenn das Bild durch typische rechts-konservative Themenbesetzungen wie radikale Kriminalitätsbekämpfung, Anti-Drogenpolitik oder Heimatverehrung wieder zurechtgerückt wird. Dem gegenüber gibt sich die ÖVP als zukunftsorientierte, dynamische und nahezu fortschrittliche Partei, die SPÖ bleibt ihren Werten der Förderung von Arbeit, Bildung, sozialer Sicherheit und Frauen treu und die Grünen plakatieren sich als ökologisch, gerecht, aber vor allem regierungslüstern.

Merkmal 1: Verwirrung durch Verwischung

Gemeinsam ist den affichierten Sujets und deren Sprüchen, dass sie die fortschreitende Verwischung kohärenter Ideologien nachzeichnen. Das traditionelle Politik- und Ideologieverständnis bietet für dieses Phänomen keine hinreichenden Erklärungsmuster mehr. So wenig wie mit einem derartigen Verständnis die Politik eines Jörg Haider, eines Pim Fortuyn oder eines Joel Wachs2 erklärt werden könnte, so wenig ist es nachvollziehbar, wieso die Freiheitlichen frauenpolitische Themen plakatieren, die Grünen hingegen nicht und weshalb die Konservativen als die Dynamischen erscheinen und die SozialdemokratInnen als die Elefantösen. Verkürzt: Auch der Plakatwahlkampf zu den oberösterreichischen Landtagswahlen ist schlussendlich in der Postmoderne angekommen.

Merkmal 2: Ein leeres Ei gleicht dem anderen
Ein zweites gemeinsames Merkmal der Wahlplakate stellt die ästhetische Vielfalt (meint nicht: Qualität) bei gleichzeitiger inhaltlicher Entleerung dar. Während die SPÖ einen echten Teamwahlkampf mit jeweils drei Tieren und drei PolitikerInnen führt, prangern von den Plakaten der anderen großen Parteien die jeweiligen Spitzenkandidaten: einer in lustigen Verkleidungen und Posen (Badewaschl, Frauenversteher, Heimatkämpfer,…), ein anderer im Kampf mit einem Stuhl und ein Dritter als etwas entfremdeter Parteivorsitzender, der sehr stark an chinesische Propagandaplakate der 50er- und 60er-Jahre erinnert. Eine ästhetische Bewertung wird an dieser Stelle erspart, den Plakaten von ÖVP und den Grünen sei zumindest zu Gute gehalten, dass sie professionell wirken. Die inhaltliche Entleerung wiegt natürlich schwerer: Eine derartige Reduktion auf wenige nichtssagende Floskeln wie sie etwa die zuletzt in den Plakatwahlkampf gestartete ÖVP vorführt (Chancen, Dynamik, Erfahrung, Vernunft, Weitblick, Zuversicht), legt die Vermutung nahe, dass sich die chefideologische Abteilung in einem sehr desolaten Zustand befindet. So wichtig Verknappung und Reduktion und Klarheit für politische Plakate auch sind, den Intellekt und das Wahrnehmungsinteresse der RezipientInnen sollten sie niemals unterschätzen.3

Merkmal 3: … und die Kunst und die Kultur?
Auffällig bei einer Betrachtung der Wahlkampfplakate ist auch, dass die Themen Kunst und Kultur keine Rolle zu spielen scheinen.4 Angesichts der Verlotterung der oberösterreichischen Kulturpolitik5 kann das Fehlen dieser Themen bei der Landes-ÖVP wohl nicht verwundern, deren symbolische Nicht-Besetzung durch die drei Oppositionsparteien im Landtag stimmt jedoch nachdenklich. Nicht, dass mit einem oder zwei Slogans hierzu schon viel über Programme, Strategien oder Visionen in der Kunst- und Kulturpolitik der einzelnen Parteien gesagt wäre, aber dieses Fehlen auf der bedeutsamen Ebene der symbolischen Produktion zeigt klar, welchen Stellenwert diese Themen bei den vier großen Parteien einnehmen.

Ein Wort sei noch zu der nicht im Landtag vertretenen KPÖ gesagt. Deren Plakate zeigen, dass es trotz oder vielleicht gerade aufgrund einer symbolischen Einfachheit und gewitzter Slogans6 möglich ist, ein authentisches und kohärentes Bild einer politischen Ideologie zu vermitteln. Schade nur, dass die Form der Präsentation beinahe durchwegs auf kleinen Plakatständern stattfindet und damit einer breiteren Wahrnehmung wenig dienlich ist.
 

Thomas Philipp’s

1 Pressemeldung der FPÖ Oberösterreich zu deren Pressekonferenz vom 31. Juli 2003. Einmal ehrlich: wie viele freiheitliche Politikerinnen neben Bleckmann, Haubner, Partik-Pablé und Rosenkranz, also Frauen, die sich in politischen Entscheidungsbereichen der FPÖ befinden, kennen Sie eigentlich?
2 Ein rechter Republikaner aus Los Angeles, der hohes Ansehen in der dortigen Avantgarde-Kunst-Szene besitzt und ‘01 nach seinem Coming-Out als Homosexueller für das Bürgermeisteramt kandidierte, wobei er einen beachtlichen Erfolg einfuhr; vgl. dazu Diederichsen D., „Adornos Taschentuch. Möglichkeiten und Strategien des Nonkonformismus“, abrufbar unter http://www.textz.com/
3 vgl. Lechner D./Philipp T./Zogholy A., „Nulldefizit. Eine kunstpolitische Intervention im öffentlichen Raum“, abrufbar unter http://www.liqua.net/
4 Die Linzer Stadt-ÖVP wirbt hingegen unter dem Slogan „Mehr Kultur und Lebensqualität“ mit einem im Kunstmuseum Lentos ausgestellten Watzl.
5 vgl. den Artikel „Des mach ma, Fritz!“ in der KUPF-Zeitung Nr. 102/3/03
6 Die ostalgischen Plakate mit den Slogans „Reich&Schön“, „Herz&Hirn“, „Hand&Fuß“, „Hier & Jetzt“ und „Du darfst!“ erinnern frappant an alte DDR-Marken.

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