Gnackwatsch’n

Das Trachten nach Herkunft oder: Hünderl, Herr und Apportl

Die Heimat steht seit Neuestem im Verfassungsrang, in jenem Bundesland, das nach wie vor hymnisch zu verkünden pflegt, man liebe die oberösterreichische Scholle, wie ein Hünderl seinen Herrn. Auch die ersten bekannten Schlagwörter des neuen Kulturleitbildes sprechen vom Bodenständigen: Bei der Auftaktveranstaltung wurde das Segment Volkskultur und kulturelles Erbe mit «Worauf wir stehen» betitelt.

Beim Absingen der Hymne steckt man ja vorzugsweise in Tracht, Traditionen versinnbildlichend, Zugehörigkeit bekennend. Zugleich ist sie längst im Pop angekommen und hat sich dort verwaschen: Mann trägt Hirschleder zu Lederjacke – und die karierte Sonnenbrille nicht vergessen! Modebewusste und Traditionsverliebte rümpfen die Nase. Zudem will man sich per Trachtentragen nicht gleich nach Rechts ziehen lassen. Übersehen wird: Eigentlich führt die aktuelle Handhabe die Tracht zu ihren Ursprüngen zurück.

Im Wesentlichen ist sie ein Kind des 18. und 19. Jahrhunderts, als es darum ging, sich eine deutsche, volkskulturelle Identität zu konstruieren, gegen transnationale Hegemonieerfahrungen (wie die napoleonische). Heute würde man wohl sagen: Wer sind wir in der EU, in einer globalisierten Welt, in einer Migrationsgesellschaft? Und immerhin kommen aus Syrien gerade Menschen, die tausende Jahre Kulturgeschichte am Buckel haben, samt Wiege der Zivilisation, zumindest der Landwirtschaft. Puh, schnell in die Lederne, das Dirndl, in die autochthone Schutzkleidung!

Apropos Pflug und Boden: Als die Tracht erfunden wurde, war sie auch ein Symbol der Selbstermächtigung der Bauernschaft, von unten nach oben: Ihr war es über Jahrhunderte nicht gestattet, ihre Kleidung frei zu gestalten und zu entwickeln. Im Emanzipieren hat man sich eine zurechtgeschneidert, die ihrerseits reglementierend war und nach Turnvater Jahns Vorstellungen nur von Deutschen getragen werden sollte. Haider, die Scheuchs und Trattnigs kommen einem in den Sinn, die germanischen Wehrbauern im slawischen Süden, Quell dessen, dass sich hierzulande Promenadenmischungen gerne Schäferhundohren aufsetzen und großdeutsch bellen (© Peter Turrini).

Im Beziehungsdreieck Herr, Hünderl und Apportl lässt sich derzeit nur schwer sagen, welche Rolle ÖVP, FPÖ und Kulturleitbild jeweils spielen. Werfen wir einfach zusätzliche Stöckchen, wie etwa das Integrationsleitbild, und werfen wir weit genug, über Ibiza hinaus. Lasst uns spielen, denn aufs Hinterherhecheln sind Politiker*innen konditioniert.

Produkt zum Warenkorb hinzugefügt.
0 Artikel - 0,00 

Jetzt die KUPFzeitung abonnieren!

Lass dir die KUPFzeitung viermal im Jahr bequem als Printprodukt nach Hause schicken und unterstütze damit auch die kulturpolitische Arbeit der KUPF OÖ!

Ab 24 € im Jahr