Alternativen zur Alchemie?

Subsistenz als Alternative zur Globalisierung empiehlt Reinhold Schachner-Nedherer

 

Die global operierende Wirtschaftspolitik sei keine Art höhere Gewalt, der man ausgeliefert wäre, meinen die HerausgeberInnen einer umfangreichen Aufsatzsammlung, welche Maria Mies, der Doyenne des Öko-Feminismus, zu Ehren publiziert wurde. Die moderne Alchemie filtert Kapital, Boden und Arbeit als reine Stoffe aus der Welt und vermischt diese in den Laboratorien des Patriarchats zum Nachfolger des Goldes, dem Geld, lautet die geraffte These von Claudia v. Werlhof, Mitherausgeberin (weiters: Bennholdt-Thomsen, Veronika / Faraclas, Nicholas) und Mitautorin des Buches Subsistenz und Widerstand. Alternativen zur Globalisierung. Was könnte diesem alchemistischen Procedere entgegengesetzt werden? Die Subsistenz(-produktion)1 würden die knapp über fünfzehn AutorInnen antworten, die in diesem Band, der anlässlich des 70. Geburtstages von Maria Mies im Jahre 2001 auf Englisch erschien und nun in deutscher Übersetzung vorliegt, Eingang gefunden haben. Doch hier ist Zweifel angebracht, denn Titel und Untertitel des Werkes versprechen mehr als von den Beiträgen gehalten werden kann. Der erste Teil, Zur Theorie des kapitalistischen Patriarchats und der Subsistenz, des dreiteiligen Buches bietet noch mutige und interessante Überlegungen, wie beispielsweise zur eingangs erwähnten modernen Alchemie. Claudia v. Werlhof setzt dabei das Patriarchat mit dem Fortschrittsdenken (-glauben) gleich und sieht den Kapitalismus als letztes Stadium des Patriarchats, das sich der Methode der Alchemie bedient. Und dieses patriarchale Projekt sei zudem noch der gemeinsame Nenner von christlicher Religion und kapitalistischem System. Der Beitrag von Maria Mies ist auch aus feministischer Perspektive geschrieben und befasst sich mit der Kolonialisierung von Europa und dem Entstehen des Patriarchats in unserem Kontinent durch die nomadisierenden Kurgan-Völker, die ihre jungen, mit Schwertern ausgerüsteten Reiter ca. 4000 v. Chr. ins Alte Europa, in dem Geschlechtergleichberechtigung gegeben war, schickten. Neben diesem historischen Exkurs plädiert sie nach einer Bestandsaufnahme der ökonomischen Situation für eine „Notwendigkeit, Europa zu entkolonisieren“. Der Mittelteil von Subsistenz und Widerstand sollte sich dem „Kampf gegen den Neuen Kolonialismus“ widmen, doch dabei handelt es sich eher um ein Aufzählen von Beispielen, die belegen sollen, dass die Gräuel ubiquitär wären. Natürlich hat der drastische Zug, mit dem einige Beiträge versehen wurden, seine Berechtigung. So befasst sich Vandana Shiva in ihrem Beitrag Globalisierung und Armut mit den verheerenden ökologischen und sozialen Auswirkungen industrieller Monokulturen, die so weit reichen, dass ihrer Meinung nach ein Zusammenhang zwischen Agrarindustrie im Punjab und einer Selbstmordserie unter dort ansässigen Bauern(!) bestünde. Oder Susan Hawthorne berichtet über das parasitäre Verhalten von Großkonzernen gegenüber indigenen (eingeboren, einheimisch; Anm.)Völkern: „Indigene Völker sind zu einer Kapitalquelle geworden. Die Erfolgreiche Handhabung ihres Lebensumfeldes, …, ihr umfassendes Wissen über lokale ökologische Systeme und ihre beachtlichen Kenntnisse in der Nutzung lokaler Ressourcen gerieten allsamt ins Visier einer künftigen Aneignung durch die Kräfte der konzerngesteuerten Globalisierung.“ Doch diese Methode des beinahe inflationären Anführens von Schreckensbeispielen kann zum Effekt der Abstumpfung führen, zumal doch niemand mehr dem Philosophen Leibniz Glauben schenkt, der meinte, die Welt sei aufs Beste eingerichtet. Neben diesen sich in der Struktur der Argumentationen sehr ähnelnden – wenn nicht gar sich wiederholenden – Aufsätzen stößt man auch auf Beiträge, die mehr Fragezeichen und Kopfschütteln als Reflexion und Wissensaufnahme verursachen. So leistet Theresa Wolfwood der Glorifizierung der Demonstrationen gegen das Treffen der Welthandelsorganisation in Seattle 1999 Vorschub. Dagegen verteufelt Renate Klein Gentechnik und Reproduktionstechniken, da sie auf patriarchalem Mist gewachsen wären und holt auch noch mit der Moralkeule weit aus, um dem postmodernen Denken, insbesondere Donna Haraway, der Mitbegründerin der Cyber-Theorien, eins über den Schädel zu ziehen, da sie für die endgültige patriarchale Machtergreifung stehen würden. Argumente liefert Klein nicht. Mit dem dritten und abschließenden Teil werden praktische Perspektiven für Subsistenzproduktionen angekündigt. Beispiele – angefangen von der mexikanischen Graswurzelbewegung, über Biolandwirtschaft in Großbritannien zu den Anfängen der Biolandwirtschaft in der ehemaligen DDR – mögen ja für KosmopolitInnen und LandwirtschaftshistorikerInnen recht interessant sein, doch diese als Belege für Alternativen zur Globalisierung zu betrachten, scheint doch etwas weit hergeholt zu sein. Empfohlen sei dieses Buch denen, die sich in ihrer Pauschalkritik an der Globalisierung bestätigt wissen möchten; doch Anleitungen für der Globalisierung widerständiges Handeln kann es kaum bieten, dazu wären vielleicht alchemistische Fähigkeiten notwendig.

Reinhold Schachner-Nedherer

1 „Subsistenzproduktion bzw. die Produktion von Leben umfasst alle Tätigkeiten, die unmittelbar der Schaffung, der Wieder-Erschaffung und der Erhaltung von Leben dienen und darüber hinaus keinen weiteren Zweck verfolgen. Subsistenzproduktion steht deshalb im Gegensatz zur Waren- und Mehrwertproduktion. In der Subsistenzproduktion ist Leben das Ziel, in der Warenproduktion hingegen ist es Geld, …, oder die Akkumulation von Kapital.“ (zit. nach Bennholdt-Thomsen/ Mies 1999, S.20)

Claudia von Werlhof / Veronika Bennholdt-Thomsen / Nicholas Faraclas (Hg.) Subsistenz und Widerstand. Alternativen zur Globalisierung. Promedia, Wien, 2003 ISBN 3-85371-205-3, 256 Seiten, EUR 19,90

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