Sie sind ja eh kreativ!

Linzer Kulturförderung entlarvt Veronika Leiner als Risikokapital-Lotterie.

 

Ein Kulturverein stellt im Dezember 2002 einen Antrag auf Förderung des Jahresprogramms 2003 an die Stadt Linz. Es gibt ein Gespräch mit Kulturstadtrat Reinhard Dyk, Kulturamtsleiter Siegbert Janko und dem im Magistrat für Kunst-, Kultur- und Projektförderung zuständigen Peter Leisch. In diesem Gespräch wird dem Verein mündlich zugesichert, „dass wir etwas kriegen, wie viel nicht, aber dass wir etwas bekommen“. Es folgen 10 Monate Sendepause. Ende September 2003 (!) erhält der Verein einen Brief mit der Mitteilung, dass der Antrag abgelehnt wurde, weil die Antragssumme den möglichen Höchstsatz für Projektförderung (!) übersteige.

So geschehen dem Kulturverein für aktive Medienarbeit MEDEA. Der seit 1998 bestehende Verein ist ein medienpädagogisches Projekt, dessen Ziel es ist, die Kulturtechnik Medienkompetenz als emanzipatorische, handlungsorientierte Fertigkeit zu vermitteln. Interventionen im öffentlichen Raum, Projekte mit Jugendlichen, vor allem aus migrantischem Kontext, stehen im Vordergrund der Arbeit, die interkulturelle Medienwerkstatt PANGEA bietet 150 Menschen aus 34 Nationen nicht nur Internet-Access.

Die Leistungen des Vereins MEDEA wurden in den letzten Jahren durchaus auch von der Stadt Linz anerkannt: Der Integrationspreis der Stadt Linz „Stadt der Kulturen“ oder der Preis für integrative Jugendarbeit der Stadt Linz deuten darauf hin, dass sich die Stadt der Existenz dieses Vereins und der Qualität seiner Arbeit durchaus bewusst sein dürfte. Dieser Anerkennung aber auch durch finanzielle Unterstützung in Form einer Basisförderung Ausdruck zu verleihen, dazu kann sich die Stadt offensichtlich nicht durchringen: 95 Prozent der Kosten trägt das Land Oberösterreich (Kultur- und Sozialressort), selbst der Bund, bei Medienprojekten an sich nicht spendabel, steuert einen kleinen Teil des Budgets bei.

Auf die Absage seitens der Stadt reagierte Andrea Reisinger, Obfrau des Vereins MEDEA, prompt mit einem Anruf bei Leisch – der eine reichlich unbefriedigende Erklärung lieferte: „Er hat gesagt, das Problem ist folgendes, das hätte im Februar schon entschieden werden sollen, aber leider sei es nie zu einer politischen Entscheidung für oder gegen die Jahresprogrammförderung gekommen, und das sei dann verschleppt worden. Für eine Projektförderung übersteige der Antrag die Maximalsumme um mehr als das Doppelte, er könne da leider nichts machen.“ Auf einen an Leisch, Janko, Dyk und Bürgermeister Dobusch gerichteten Protestbrief von MEDEA gab es – keine Reaktion. Bei einem Termin mit Janko und Leisch, auf dem MEDEA dennoch bestand, mussten Andrea Reisinger und Elvira Kurabasa, Geschäftsführerin von MEDEA, dann feststellen, dass „Janko gar nicht wusste, was wir eigentlich machen und dass wir durchaus auch Kulturprojekte machen. Sie wussten auch nicht, dass wir gar nicht so klein sind und vom Gesamtvolumen her mittlerweile mit Vereinen wie etwa der KAPU vergleichbar sind.“ Was von Subventions-Empfängern eingefordert wird, nämlich professionelles Vorgehen – termingerechte Antragstellung und prompte Abrechnung von Subventionen – scheint für den Subventionsgeber Stadt (Politik) nicht im selben Ausmaß zu gelten.

MEDEA informierte schließlich das Offene Forum der Freien Kulturszene Linz: „Wir wollten uns mit dem Rest der Szene koordinieren, erfahren, ob das jemandem anderen auch schon in dieser Form passiert ist bzw. wieweit das ein Problem ist, das die ganze Szene betrifft.“ Bei einem Treffen stellte sich zwar heraus, dass es anscheinend zwar nicht Usus ist, Initiativen zuerst in Sicherheit zu wiegen, um ihnen dann gegen Ende des Jahres mitzuteilen, dass es doch kein Geld geben wird. Einzelne Fälle gibt es offenbar aber doch, wo Zusagen nicht eingehalten oder mit dubiosen Begründungen Förderungen abgelehnt wurden.

Was die Szene aber vor allem – gelinde gesagt – irritierte, war ein hilfsbereiter Hinweis von Leisch, den er offenbar nicht nur MEDEA gegeben hat: Nämlich der, doch – statt der beantragten Jahresförderung – für den „Risikokapital“-Topf einzureichen.

Nun ist die Ausschreibung dieses „Pakets von Impulsstipendien“ aber recht präzise, was die Zielgruppe angeht: Es richtet sich an „Künstler/innen und Kulturschaffende, die sich noch nicht etablieren konnten und / oder am Beginn ihrer kreativen Karriere stehen“, an „Talente, die bislang noch kaum oder sogar keine Möglichkeit hatten, Projekte von (sic!) größeren Umfang zu realisieren und öffentlich zu präsentieren“1. Der Topf richtet sich also dezidiert nicht an Initiativen wie eben MEDEA, das in den vergangenen 5 Jahren zahlreiche erfolgreiche Projekte realisiert und für diese auch schon Preise erhalten hat. Von Andrea Reisinger darauf hingewiesen, meinte Leisch wörtlich: „Sie sind ja eh kreativ, wie ich Sie kenne, können Sie das schon so hinbiegen, dass es passt!“

Der Impulstopf, der von der Freien Szene gefordert wurde und seit 2001 mit jährlich 72.600 Euro gefüllt ist, wurde explizit als „Erweiterung und Ergänzung“ zu bestehenden Fördertöpfen eingerichtet, „die durch die Einrichtung des Impulstopfes nicht in ihrer Höhe sowie ihrer Widmung und Aufgabe minimiert werden dürfen, weil sich sonst der Effekt der Innovation des Impulstopfes wieder aufheben würde“, (Positionspapier der Freien Szene2).

Das Kulturbudget wird knapper, so scheint es, vor allem in Zeiten, in denen Repräsentationsbauten große Teile dieses Budgets verschlingen. Ob das Verschleppen von Entscheidungen und nicht der Widmung entsprechende Hinweise auf Fördertöpfe vonseiten der Beamten im Kulturamt Vorgangsweisen sind, die sich durchsetzen werden, wird zu beobachten sein. Reaktionen der Freien Szene würden jedenfalls nicht lange auf sich warten lassen.

Veronika Leiner

Siehe auch die Artikel auf S. 3 und 23

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