Eingeschränkte Sicht durch Palästinensertuch

Fußball im Netz der Globalisierung. Eine Rezension von Franz Fend.

 

„Die Mannschaft ohne Eigenschaften„ lautet der Titel des jüngst im Otto Müller Verlag erschienenen Buchs von Harald Irnberger. Der Untertitel des Buches verrät bereits mehr: „Fußball im Netz der Globalisierung„. Gefangen im Netz der Globalisierung, assoziiert der unbedarfte Rezensent. Angesichts der Tatsache, dass dieser Sport seit jeher davon lebt, in internationalen Turnieren die besten, schönsten und reichsten Mannschaften oder Nationalteams zu küren, mutet dieser Untertitel etwas befremdlich an. Soll hier eine Bedrohung suggeriert werden, die von der so genannten Globalisierung ausgeht? Bedroht seien auf jeden Fall die regionalen Identi-täten des Fußballs, so der Autor, es gebe den englischen, den spanischen, den italienischen Fußball nicht mehr. ´

Folgt man Irnberger, habe die Globalisierung des Fußballs zur Folge, dass „Mannschaften ohne Eigenschaften„ entstünden, weil es eben um die Realisierung von wirtschaftlichen Zielen gehe. Zu diesem Zweck werden beispielsweise bei Real Madrid Stars aus aller Welt zusammengekauft, eine homogene, authentische Mannschaft entstehe allerdings nicht. Anhand der Global Player im Fuß-ballgeschäft wie Manchester United, Bayern München oder eben Real Madrid beschreibt der Autor, die Entwicklung der Vereine zu Unterhaltungskonzernen deren wichtigstes Ziel es ist, Profite zu realisieren. Dass Fußball ein Kind des Kapitalismus ist und somit eins der bürgerlichen Gesellschaft, ist so abgedroschen wie die Phrasen, dass ein Spiel neunzig Minuten dauere oder das schwierigste Spiel immer das nächste sei. Irnbergers Perspektive ist eine eingeschränkte. Obwohl er den Fußball in den Fängen des global agierenden Kapitals wähnt, richtet sich sein Blick doch in erster Linie auf die Reichen und Schönen des Geschäfts. Fußball besteht aber nicht nur aus Ajax Amsterdam und AC Milan, aus Argentinien und Deutschland.

Irnberger versucht aber auch, eine Geschichte des Linken Fußballs zu schreiben und dem Fußball eine linke Perspektive zu verleihen: „Die Jahre haben uns lediglich die Einsicht beschert, dass jener Kommunismus nicht mehr auf die Tagesordnung zurückkehren wird, den Lenin euphemistisch als ,Räteherr-schaft plus Elektrizität‘ definiert hat. Vielleicht könnte die Perspektive eines demokratischen Sozialismus in einer globalisierten Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft ja lauten: Grenzenlose Verhältnisse schaffen, die jedem ungeachtet seiner Herkunft die Chance bietet, seine Talente auszuleben.„ Abgesehen davon dass der Begriff „globalisierte Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft„ eine beschönigende Beschreibung der akuten gesellschaftlichen Verhältnisse ist, hat der Slogan, jedem nach seinen Fähigkeiten und nach seinen Bedürf-nissen, schon mehr Jahre auf dem Buckel als Lenins Sager. Ansonsten erschöpft sich Irnbergers Gesellschafts- und Fußballanalyse auf grandiose Erkenntnisse wie: „Fußball entwickelt sich immer parallel zu den gesell-schaftlichen Prozessen.„ Da kann der sichtlich bemühte ehemalige Linke Irnberger noch so viele Zitate und Anklänge kommunistischer Lektüre bringen, nämlich, dass es nicht der Fußball sei, der die Verhältnisse zum Tanzen bringe, sondern sich die Verhältnisse im Fußball widerspiegeln, seine Befunde bleiben platt. Da kann der Autor Buchtitel, wie etwa Peter Weiss’ „Ästhetik des Widerstands„ zitieren, meistens ist es unpassend, ja geradezu peinlich. Das Anpatzen anderer – linker – Fußball-Autoren, wie Schulze-Marmeling rundet diese Bild nur ab.

Wird Irnberger politisch konkret, wird die Geschichte wirklich degoutant. Er beklagt sich, dass die palästinensische Fußballauswahl aus dem Gaza-Streifen und der West Bank von der israelischen Armee, behindert worden sei, in ein Trainingslager ins ägyptische Ismaila zu reisen. Die Israelis beschreibt er als „Herrenmenschen, deren Willkür keine Grenzen gesetzt sind„. Abgesehen davon, dass man dem israelischen Staat zugestehen sollte, seine eigenen Bürger zu schützen, sollte Irnberger die Bilder von palästinensischen Selbstmord-Bombern auf israelischen Straßen und Plätzen vergegenwärtigen. Oder schließt er sich doch der Forderung des so genannten palästinensischen Widerstands an, die Juden müsse man ins Meer treiben?

Ein kariertes Tuch macht noch keinen Linken und ein Kicker-Redakteur noch kein gutes Fußball-Buch.

Franz Fend

Harald Irnberger: Die Mannschaft ohne Eigenschaften. Fußball im Netz der Globalisierung. Otto Müller Verlag, Salzburg 2005, 450 Seiten, EUR 28,- ISBN 3701311099

Franz Fend lebt und arbeitet in Linz.

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