Vom Nicht-Ausweichen und vom entgegenkommenden Mainstream

Gedanken zum 25-Jahr-Jubiläum des autonomen FRAUENzentrums Linz.

 

Von Mag.a. Gabriele Müller.

Das Linzer autonome FRAUENzentrum feiert heuer sein 25jähriges Bestehen. Ein Viertel-jahrhundert ist eine lange Zeit und die ist auch an diesem Verein nicht spurlos vorüber gegangen. Aus einer aufmüpfigen und tatkräftigen Weibergruppe mit radikalpolitischen Visionen wurde schrittweise ein gesellschaftlich anerkanntes Dienstleistungszentrum (für Opfer).

Die Leistungen jener Frauen, die dort nunmehr täglich professionelle Arbeit in der Beratung und Betreuung von hilfesuchenden Frauen leisten, sollen keineswegs gering geschätzt werden, dennoch blicke ich als eine, die von Anfang an dabei war, mitunter mit Wehmut auf die alten Zeiten zurück.

Die schleichende Entpolitisierung, die sich allerorten breit macht, begann im gegenständlichen Falle eigentlich bereits bei der Gründung 1980. Jene Gruppe linker Feministinnen, die die aussichtslosen Verhandlungen mit dem Stadtsenat zwecks Errichtung eines Frauenhauses satt hatte und durch eine (damals noch) spektakuläre Hausbesetzung auf ihre Anliegen aufmerksam machte, nannte sich „Unabhängiges Frauenkollektiv„. Die breite Solidarität vieler Linzerinnen mit den Hausbesetzerinnen führte zwar zu einem Erstarken der Bewegung, gleichzeitig aber auch zur Umbenennung in „autonomes FRAUENzentrum„. Das klang irgendwie seriöser und war es auch.

Dennoch behielten die Frauen der ersten Stunde ihren lustvollen Aktionismus und ihre Streitkultur bei. Heute übt man (und frau) sich in Gelassenheit und Harmonisierung. Damals aber wogte der Hörsaal der Linzer Uni im Richtungsstreit und hallte wider von Wortduellen und Türenknallen. Mit den SP-Frauen (die Sozial- demokratInnen waren damals immerhin noch SozialistInnen…!) packeln – das kam für die einen auf gar keinen Fall in Frage; die anderen liebäugelten mit den Subventionen. Unterdessen errichtete die Stadt ein Frauenhaus und die Roten schmückten sich mit den fremden lila Federn.

Dumm gelaufen. Aber immerhin durfte das autonome FRAUENzentrum ja weiterhin die (anfangs unbezahlte) Basisarbeit – den Notruf und die Rechtsberatung – machen. Und schließlich gab es noch genügend andere Themen, derer wir uns annehmen konnten: War der vaginale Orgasmus bloß ein Mythos? (Unter uns: ich glaube das ja noch immer, auch wenn mich das Begleitbuch zum viel beworbenen C.O.M.E. Beckenbodentrainer eines Besseren zu belehren versucht.) Gynäkologie und Geburtshilfe waren zentrale Themen. Selbsterfahrungsgruppen wurden gegründet. Die Scham war vorbei! Inzwischen hat sie sich durch ein Hintertürl wieder eingeschlichen und die aufregenden Freundinnen-Abende mit dem Spekulum werden heute durch einsame Nächte vor dem Fernsehgerät mit „Sex and the City„ ersetzt.

Überhaupt ist das Kollektive dem Individuellen gewichen. Vorbei die Zeit der Aufmärsche, der Demonstration von quantitativer Macht! Zum internationalen Frauentag gibt’s heutzutage eine kleine feine Lesung im engsten Kreis der Hinterbliebenen statt Pfeif- und Trommelkonzerten und heftiger Zusammenstöße mit männlichen Passanten, die es gewohnt waren, dass Frauen ihnen automatisch auswichen. Sie im wahrsten Sinn des Wortes auflaufen zu lassen, war zwar mitunter körperlich schmerzhaft, tat aber dem Selbstvertrauen enorm gut! Heute regelt ja wohl gender mainstreaming den Straßenverkehr der Geschlechter… Nichts vermag mehr, richtig aufzuregen. Die Wut im Bauch ist weg. Die Degradierung der Frau zur Ware in der Werbung hat m.E. wieder zugenommen. Proteste dagegen erheben sich kaum mehr. Ich vermisse das gegenseitige Vorleben von Stärke und positiver Aggressivität von Frauen.

Trotz aller Kritik erfüllt es mich aber auch mit Stolz und Freude, dass das autonome FRAUENzentrum seit 25 Jahren existiert und wie von Beginn an jeden Montag ab 18.00 Uhr in seinem Cafe Frauen aus allen Altersstufen und Lebenszusammenhängen die Möglichkeit zum Gespräch bietet. Auch wenn das jeden ersten Montag im Monat stattfindende „politische Cafe„ kürzlich in „Diskuthek„ umbenannt wurde, ist zu hoffen, dass die politischen Inhalte auch in Zukunft doch nicht ganz verloren gehen werden!

Mag.a Gabriele Müller

www.frauenzentrum.at

Mag.a Gabriele MüllerKunsterzieherin und Schmuckdesignerin, Mitglied des Unabhängigen Frauenkollektivs und Gründungsmitglied des autonomen FRAUENzentrums, nunmehr Ehrenmitfrau und kritische Freundin.

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