In den vergangenen eineinhalb Jahren hat ein internationales Team im Rahmen des EU-Projekts MOVECULT über aktuelle Herausforderungen und zukünftige Möglichkeiten in der Berufsausbildung von Kulturarbeiter*innen geforscht. Die KUPF OÖ war dabei, Florian Walter berichtet.
Kultur als Beruf
“Kulturarbeit ist Arbeit” lautete vor 15 Jahren der Titel einer Kampagne der KUPF OÖ. Ziel war es, darauf hinzuweisen, dass eine Tätigkeit im Kulturbereich nicht bloß das Freizeitvergnügen einiger Liebhaber*innen ist, sondern für viele Menschen neben einer Berufung auch einen Beruf darstellt – mit allen Mühen, aber auch allen Annehmlichkeiten (etwa einem monatlichen Lohn), die dazugehören.
Dass die KUPF OÖ Kulturarbeit als Beruf betrachtet, wird auch in ihren Angeboten zur beruflichen Weiterbildung deutlich. Deshalb bietet die KUPF OÖ ihren Mitgliedern und allen Interessierten diverse Fortbildungen an: seit vielen Jahrzehnten in Form von Workshops und Webinaren; seit 2017 in Gestalt des Lehrgangs Kunst- und Kulturmanagement; und seit 2021 mit der E-Learning-Plattorm KUPFakademie Online schließlich auch digital.
Europäische Kooperationen
Anfang 2022 hat die Bildungsabteilung der KUPF OÖ einen weiteren Schritt in Richtung Professionalisierung ihrer Weiterbildungsangebote gewagt. Im Rahmen des von der EU im Programm Erasmus+ geförderten Projekts MOVECULT widmete man sich gemeinsam mit den Projektpartner*innen vom Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK (München) und von Trànsit Projectes (Barcelona) der Frage, wie die berufliche Fortbildung von im Kulturbereich tätigen Menschen den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen (Diversifizierung, Europäisierung, Digitalisierung) sowie den spezifischen Bedürfnissen der Kulturarbeiter*innen angepasst werden kann. Ziel dabei war die Konzeption eines zeitgemäßen und zielgruppengerechten Berufsbildungsangebots.
Um sich diesem Ziel anzunähern, wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren zunächst Nachforschungen über den Status Quo der beruflichen Fortbildungsangebote in Spanien, Deutschland und Österreich angestellt und Best Practice Beispiele hervorgehoben.
Weniger Theorie, mehr Praxis
Obwohl sich die Resultate je nach Erhebungsland unterscheiden, können einige gemeinsame Erkenntnisse aus diesen Befragungen festgehalten werden:
- Bestehende Berufsbildungsangebote werden generell positiv bewertet. Nichtsdestotrotz ist eine gewisse Akademisierung festzustellen, die den Anforderungen des Feldes – besonders jenen der vielen Kulturarbeiter*innen in der Freien Szene – nicht immer entspricht: Vieles ist zu theoretisch und zu wenig praxisorientiert.
- Bestehende Angebote reagieren nur langsam auf die veränderten Anforderungen, mit denen sich Kulturarbeiter*innen tagtäglich konfrontiert sehen. Zu wenig eingegangen wird auf Trends wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, neue Formen der Gemeinschaftsbildung und damit einhergehende Herausforderungen in der Publikumsentwicklung oder die wachsende Diversifizierung von Zielgruppen durch Migration und Alterung.
- Besonders Kulturarbeiter*innen wünschen sich mehr Elemente informellen Lernens und einen horizontalen Wissenstransfer. Das bedeutet, dass man lieber von Praktiker*innen (auf Augenhöhe) als von Expert*innen lernen möchte.
- Schließlich sollten Lernsettings so eng wie möglich mit der Praxis verwoben werden. Nicht in Klassenzimmern, sondern in den Häusern und Initiativen selbst wollen Kulturarbeiter*innen Neues ausprobieren, Erfahrungen sammeln und Wissen generieren. “Learning by doing” lautet das Motto!
Zeitgemäße Berufsbildung
Auf Basis der Erkenntnisse aus Recherchen und Interviews hat das Projektteam schließlich seit dem Sommer an einem Curriculum gearbeitet. Entstanden ist der Plan für einen einjährigen Lehrgang mit dem Titel European Cultural Agitators Network (ECAN), der sich inhaltlich mit aktuellen Transformationen europäischer Gesellschaften und den damit verbundenen Herausforderungen an den Kulturbereich beschäftigt. Identifiziert wurden vier Themenbereiche:
- Connections: Hier geht es um das Schaffen nachhaltiger, bedeutungsvoller Verbindungen innerhalb von Teams, zu Publikum und Nachbarschaft, zu Künstler*innen und Agenturen, aber auch zu öffentlichen Institutionen.
- Passages: Hier werden zeitliche und geografische Übergänge thematisiert, etwa die fortlaufende innere Auflösung und äußere Verfestigung der Grenzen Europas oder die zunehmende Digitalisierung zahlreicher Lebensbereiche in Arbeit und Freizeit.
- Identities: Hier wird angesprochen, dass mit dem Erfolg sozialstaatlicher Programme in Europa neben dem Faktor Klasse auch Geschlecht, Ethnizität oder Alter als Strukturgeber von Ungleichheit und Ausgrenzung sichtbar geworden sind. Für ein Verständnis der eigenen Zielgruppe ist für Kulturarbeiter*innen also eine intersektionale Perspektive notwendig.
- Existence: Hier wird deutlich, dass aktuelle Veränderungen, die auch den Kulturbereich betreffen, nicht nur gradueller, sondern sogar existenzieller Natur sind – etwa die Krisen in den Bereichen Klima, psychische Gesundheit oder soziale Exklusion/Armut.
Strukturell teilt sich der geplante Lehrgang auf zwei Ebenen auf: Zunächst werden Kulturarbeiter*innen auf einer regionalen Ebene vernetzt und Orte des Lernens generiert, an denen diese sich mit den Erfahrungen anderer Personen aus dem Feld auseinandersetzen können. Zusätzlich wird auf internationaler Ebene der Austausch mit Kulturarbeiter*innen aus anderen europäischen Ländern mittels virtueller und Präsenztreffen ermöglicht.
Zukunftspläne
Die Umsetzung des entworfenen Lehrgangs ist mit den bestehenden Ressourcen allerdings nicht möglich. Die KUPF OÖ wird sich deshalb im kommenden Jahr um die Lukrierung von Mitteln bemühen, um die Konkretisierung der Pläne und die Realisierung eines Pilotlehrgangs zu ermöglichen. Wir halten euch jedenfalls über die weiteren Fortschritte auf dem Laufenden. Stay tuned!
Disclaimer: Von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen entsprechen jedoch ausschließlich denen des Autors bzw. der Autoren und spiegeln nicht zwingend die der Europäischen Union oder der Europäischen Exekutivagentur für Bildung und Kultur (EACEA) wider. Weder die Europäische Union noch die EACEA können dafür verantwortlich gemacht werden.