Read my lips!

Fragen der Glaubwürdigkeit erläutert Udo Danielczyk

 

Fallbeispiel Grieskirchen

Wie aufmerksame LeserInnen der KUPF-Zeitung wissen (siehe Ausgaben 102 & 98), kämpft der KV Roßmarkt in Grieskirchen seit sieben Jahren um den Ankauf des Stammhauses des Vereins durch die Marktgemeinde Grieskirchen, repräsentiert durch Bürgermeister Großruck (übrigens ein enger Freund von Regionalisierungs-Kunststaatssekretär Morak).
Dieser kündigt auch immer wieder großspurig an, alles für den Verbleib des Vereins im traditionsreichen Haus im Zentrum Grieskirchens und dessen Renovierung zu tun.
Allein – es fehlen die entsprechenden Taten. Verhandlungen zum Ankauf des Hauses wurden so halbherzig geführt, dass sie letztendlich an einer finanziellen Lappalie scheiterten. So kam das Haus in Besitz des Autohändlers Leeb, der nur den Abbruch des Hauses anstrebt. So wurde letztens in einer Bauverhandlung, wo der KV RM1 als Mieter keine Parteienstellung hat, nach einem bereits verhängten Veranstaltungsverbot, das Haus wegen drohender Einsturzgefahr zur Gänze gesperrt.

Bgm. Großruck erteilte dem Autohändler – zum Erstaunen aller – nicht den von diesem gewünschten Abrissbescheid, sondern kündigte via Rundschau-Interview die Ausstellung eines Sanierungsbescheides an.

Großruck wahrt so die wohl letzte Chance zur Rettung des Hauses. Und wahrt vor allem sein vordergründiges Bekenntnis zum Erhalt des Hauses und Vereins RM1.
Würde er sich selbst ernst nehmen, müsste er sofort mit dem Spekulanten Leeb in Kaufverhandlungen eintreten, wozu er auch von RM1, KUPF und IG aufgefordert wurde. Allerdings glaubt ihm niemand so recht: zu selten sind Ankündigungen Großrucks, sich für den Roßmarkt stark zu machen, entsprechende Taten gefolgt.
Noch hat er diesmal kein Signal gesetzt, seinen Lippenbewegungen ernsthafte und zielgerichtete Verhandlungen folgen zu lassen.
Währenddessen müssen die AktivistInnen des Roßmarkt, ebenso geprägt wie entmutigt durch sieben Jahr Kampf um das Haus, einige Jahre Mietrechtsstreit sowie durch die Sperre des Hauses sinnlos gewordene Renovierung einiger Räume des Hauses, mindestens ein bis zwei Jahre ohne eigene Infrastruktur auskommen. Und weiter darauf warten/drängen/pochen, dass Raum für Kultur im Zentrum Grieskirchens erhalten bleibt.

Fallbeispiel Linz

Linz wird Europäische Kulturhauptstadt 2009.
So tönt es von offizieller Linzer Seite seit langem. Linz wird sich sicher dafür bewerben, das stellten (Kultur)Politik und Verwaltung immer klar. Und das Programm wird nicht aus zugekauften Spektakeln bestehen, sondern soll von der eigenen kreativen Freien Szene bestritten werden, wie schon der europäische Kulturmonat 1998. Alle Verantwortlichen wiesen auch immer auf die vorgesehene Nachhaltigkeit in der Planung. Und erkannten letztendlich auch die Notwendigkeit einer Vorhaltigkeit im Sinne einer verstärkten Förderung besonders der Freien Szene in den Jahren bis 2009 an.

Mittlerweile wird sich nach offiziellen Aussagen Linz nur bewerben, wenn die finanzielle Beteiligung von Land und Bund gesichert ist. Statt verstärkter Förderung der Freien Szene im Besonderen und einer Erhöhung des Kulturbudgets im Allgemeinen als Aufbruchssignal, wird das Budget 2004 7% Kürzungen im Kulturbereich bringen.
Der Umgang mit der Freien Szene (siehe die Artikel auf Seite 15 und 23) kann oft nur mehr als zynisch beschrieben werden.
Vorhaltigkeit? Freie Szene als Schwerpunkt im Linzer Kulturentwicklungsplan?
Read my lips! Aber erwartet euch bloß keine Handlungen.
Wie viel Kultur?

Erstaunlich ist, dass sich (bis jetzt) weder die AktivistInnen des Roßmarkt noch KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen der Freien Szene Linz entmutigen lassen, und immer wieder mit aller Kraft für ihre Projekte kämpfen – mit denen sich die öffentliche Hand dann brüstet. Wie es zum Beispiel die Stadt Linz ganz schamlos in Entwürfen zu Bewerbungsunterlagen für die Kulturhauptstadt tut.
Während das Landesinstitut für Kunst & Volkskultur eine „Etablierung“ und Akzeptanz der Zeitkultur in den Gemeinden sieht (siehe Interview Seite 8), so ist heute nicht mehr die Frage: „Wie viel Kultur verträgt eine Gemeinde?“ sondern „Wie viel Kultur verdient sich die Gemeinde?“ zu stellen.

Udo Danielczyk

Rm1
Linz

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