Arrivederci!

Luigi Gabinetto verabschiedet sich und erleichtert sich seiner Darmgase

 

Wo Zeitschriften Produkte, redaktionelle Inhalte nur noch aufgefüllter Anzeigenraum, Mitarbeiterinnen nur Zuträger und Chefredakteure Animateure für die Werbewirtschaft sind, da hat der Kolumnist, der benennt, welches Schwein das Bewusstsein bestimmt, sein Recht verwirkt. Diese Grundgesetze des Marktes dringen bis in die kleinsten Nischen, selbst in jene, die sich selber Gegenöffentlichkeit nennen, vor. Man kann Gremliza, der nonchalant untertrieb ?wozu brauchen wir Zensur, wir haben doch Medien? nur beipflichten. Noch mehr hat der Kolumnist sein Recht verwirkt, wenn er seine Machwerke mit einem sprachlichen Hedonismus vorträgt, zu dem einfach gehört, ein Arschloch auch Arschloch zu nennen, einen Leserbriefschreiber, der sich des Nazi-Jargons bedient einen Nazi.

Wenn schon die Gesetze des Marktes in jene Enklaven, die der Kolumnist für autonom hielt, eindringen, muss er sich nach Alternativen umsehen. Der Linzer Südbahnhofmarkt, Naschmarkt zu Wien, der Wochenmarkt in Vöcklabruck. Es gibt viele Märkte, auf denen es ? einstweilen noch ? humaner zugeht als auf dem (Alternativ)Medienmarkt.

Die Katastrophe ist, dass man sich auch dort, weil man von den lockenden Genüssen einfach zu fett, das Blut zu cholesterinhaltig, die Leber zu leistungsschwach wird, ebenfalls mit den Medizinalfaschisten herumschlagen muss. Denen hat mein Kollege Bert Bauch, als er seine Kolumne ?Kulinarische Ausschweifungen? einstellen musste, ein Denkmal gesetzt: ?Die Zahl der Medizinalfaschisten nimmt bis hinauf in die Ministerränge zu, und es ist zumindest befremdlich, dass es keineswegs Jörg Haider, sondern ein eingeschriebenes und maßgebliches Mitglied der Sozialdemokratie war, das polizeistaatliche Methoden zur Durchsetzung von Rauchverboten gefordert hat (Als Bauch das schrieb, gab es noch eine große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP.).

Gern erinnern wir uns in diesem Zusammenhang noch an die Sätze des Führers: ,Die deutsche Frau raucht nicht? und weisen ein weiteres mal darauf hin, dass Adolf Hitler ein reges Interesse an der Volksgesundheit zeigte und überdies ein nachweisbarer Tierfreund und Vegetarier war. Im Moment geht es den Medizinalfaschisten von heute jedoch weniger darum, gesunde Soldaten zu produzieren, was letztlich stets der Endzweck jeder kerngesunden Volksgemeinschaft ist, sondern angeblich darum, die Kosten des Sozialsystems zu senken. Nun kann mir aber niemand vorrechnen, dass ein starker Raucher oder Trinker, der ? seien wir gut zu ihm und geben ihm ein Alter von 58 Jahren ? den Löffel abgibt, die gesunde Volksgemeinschaft mehr belastet als ein notorischer Gesundheitsapostel, der mit 94 noch mit dem Fahrrad über die Ringstraße düst und sich seine Rente am liebsten bis zum Sankt Nimmerleinstag abholen möchte.?

Ich beende also mein Armamento della Cultura mit der Unterstellung, dass es den Medizinalfaschisten welcher Couleur auch immer, gar nicht so sehr ums Sparen geht, sondern dass es sich um einen listigen, weil mit scheinbar rationalen Argumenten vorgetragenen Angriff auf die Integrität und Freiheit der Person handelt. Trotzdem werde ich mein Gabinetto nun schließen, und auf alle die darin vorgekommen sind und alle die sich angesprochen fühlen, einen fahren lasse, dass es nur so kracht.

Luigi Gabinetto

E-Mail: luigi.gabinetto@gmx.at

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