Von Graz lernen

Luigi Gabinetto empfiehlt der Linzer Szene von Graz zu lernen.

 

„Kulturhauptstadt werden bedeutet, von Stadt, Land und vor allem vom Bund viel Geld für die kulturelle Entwicklung einer Stadt oder einer Region zu bekommen“, schreibt Elfi Sonnberger in der letzten Ausgabe dieser Zeitung. Wie wahr. Wer und aber dieses Geld wofür bekommen soll, müsste Gegenstand der Debatte sein.

Dass Kulturhauptstadt ausschließlich für Sport, Tourismus und Volkstum steht, müsste der freien Szene längst bekannt sein. Dass Kulturhauptstadt industrialisierte Eventmanie bedeutet auch. Denn was sollte Kulturhauptstadt anderes sein, als das Abfeiern der herrschenden Politiken? Wer glaubt, Kulturhauptstadt würde was anders bejubeln als die akuten Regierungen ist naiv. Wer hofft, dass PolitikerInnen mit KünstlerInnen kooperieren und nicht sich selbst darstellen, verkennt den Zweck des Unterfangens. Kulturhauptstadt heißt, einen bürgerlich-rechten Kulturbegriff (der auch im Falle einer sozialdemokratischen Regierung hegemonial wäre) zu bedienen. Abgesehen von den inhaltlichen Zusammenhängen bedeutet Kulturhauptstadt kulturellen Kahlschlag in der freien Szene. Sie müsste nur den Blick nach Graz richten, um zu sehen, was passiert. Alles was dort gefördert wird, sind tourismustaugliche Großprojekte und spektakelhafte Events. „Fast krampfhaft wird das, was Graz einmal war, eventsüchtig erneuert und als Basis für große Erlebnisse vorausmanipuliert“, sagt der Grazer Autor und „Manuskripte“-Herausgeber Alfred Kolleritsch. Was hinten bleibt, ist die freie Szene. Zwar bedient sich die Hochglanzkultur auch dieses Pools und schöpft Ideen und Personen aus ihm. Gleichzeitig wird die Szene, die nicht den politisch geneigten Museumsbetrieb reproduziert, ausgehungert. Verschwenderisch wird Geld für neue Kulturbauten ausgegeben. Doch wer diese in weiterer Folge bespielen soll, darüber wird kein Gedanke verschwendet. Denn laut Stadtsenatsbeschluss wurde eine fünfzehnprozentige Subventionssperre verhängt. Für den laufenden Theaterbetrieb bedeuten diese Einbußen acht Wochen unfinanziertes Programm und massive Personalreduktion.

Der freien Szene wird zum einen die Teilnahme an diesem europäischen Projekt verwehrt, zum anderen werden ihre laufenden Subventionen gekürzt. Schon im Jahr 2001 erfolgte eine Kürzung um 20 Prozent. Alleine die Stadt Graz schüttet heuer im Vergleich zum Vorjahr um rund 363.000 Euro weniger an Subventionen aus. Nun hat sich Widerstand gegen die herrschende Kulturpolitik organisiert, der weit über die freie Szene hinausgeht. Im Kulturhauptstadtjahr werden „Schließtage“ ins Auge gefasst, die manche Medien als KünstlerInnen-Generalstreik betitelt haben. Es ist zu hoffen, dass die „Schließtage“ zum gelungensten künstlerischen Projekt im Kulturhauptstadtjahr werden. Die freie Szene in Oberösterreich könnte sich hier etwas abschauen, statt naiv die Bewerbung zu unterstützen.

Luigi Gabinetto

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