devot, servil und untertänig

Geschäftspraktiken der Obdachlosenzeitung „Kupfermucken“ prangert Luigi Gabinetto an.

 

Obdachlose die Straßenzeitungen verkaufen. Sie sollen, wenn sie an die Öffentlichkeit treten, den Blick demütig gesenkt haben, keineswegs sollen sie Passanten ins Gesicht blicken. Ihre Körperhaltung muss signalisieren, dass sie sich ihrer Schuld bewusst sind. Schuld an der Lage in der sie sich befinden, Schuld an der Belästigung, die sie für die Passanten sein könnten.

Ihre ärmliche Kleidung muss reinlich gewaschen sein. Sie dürfen keinesfalls riechen. Weder nach Körperausdünstungen, schon gar nicht aus dem Mund nach alkoholischen Getränken. Um das auf jeden Fall zu verhindern, müssen sich obdachlose Straßenzeitungsverkäufer gebührenden Abstand zu möglichen Zeitungskunden wahren. Obdachlose Straßenzeitungsverkäufer dürfen nichts wollen. Sie dürfen nicht zu verstehen geben, dass sie an ihrer Lage was ändern möchten, oder gar, dass sie glauben, dass sie was ändern können. Das Allerwichtigste: Obdachlose Zeitungsverkäufer müssen schweigen. Denn wer obdachlos ist, darf seine Stimme nicht erheben, denn er könnte damit seine Rechte einfordern.

Nicht anders kann das Flugblatt, das der letzten „Kupfermuckn“ beigelegt war, verstanden werden. Da entschuldigt sich ein „Kupfermuckn“-Team beim Publikum, für einen Zeitungsverkäufer, der „aufdringlich, lautstark und aggressiv unsere Zeitung vertreibt“. Das Flugblatt informiert auch darüber, dass der Verkäufer „nicht gewillt war, seinen Verkaufsstil zu ändern“, daher wurde gegen ihn ein Verkaufsverbot ausgesprochen. Es seien sogar rechtliche Schritte gegen den uneinsichtigen Verkäufer erwogen worden. Hinter „Kupfermuckn-Team“ verbirgt sich wohl die Herausgeberin, die katholische ARGE Obdachlose. Diese macht mit dieser Flugschrift deutlich, was sie von ihrer Klientel, den wohnungslosen Menschen hält. Wer nicht in das oben skizzierte Bild vom braven, dressierten Armen passt, fliegt raus. Wer aufbegehrt, wird gerichtlich verfolgt. Wer den feisten Bürgern zu nahe tritt, ist weg. Ein Obdachloser wie ihn die Katholiken wollen, muss leiden und muss auch zeigen, dass er leidet. Man muss sehen, dass ihm das Rückgrat gebrochen wurde. Wenn es nicht die gesellschaftlichen und ökonomischen Umstände sind, die das besorgen, sind es die Katholiken, in deren Hände sie geraten sind. Es reicht nicht, dass Obdachlose und Arme von den Herausgebern verhöhnt werden, sie müssen auch noch zeigen, dass es ihnen gefällt verhöhnt zu werden.

Obdachlose werden vorgeführt, durch den Inhalt dieser Zeitung, der jeglichen emanzipatorischen Ansatz vermissen lässt. Und sie werden vorgeführt durch den von den Herausgebern geforderten Verkaufsstil. Denn der Zweck dieser Zeitung ist nicht, die Umstände zu verändern, die Obdachlosigkeit und Armut verursachen. Zweck ist es, bei den Käufern ein gutes Gewissen zu erzeugen, wenn sie so einem armen, braven Obdachlosen eine Zeitung abkaufen.

Luigi Gabinetto

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