Übergaben zwischen Generationen im Kulturverein. Von Carmen Bayer.
2023 und in den darauf folgenden Jahren kommt ein Generationenwechsel im Kulturbereich auf uns zu. Während sich die einen in die wohlverdiente Freizeit verabschieden, kommen Neue nach – und treten in teils große Fußstapfen. Viele Kulturinitiativen wurden in den 1980er Jahren gegründet und häufig sind Personen seit damals in den leitenden Positionen. Die Übergebenden haben die Aufgabe, die Essenz der gesammelten Erfahrungen in Arbeitspakete zu filtern und in Übergabegesprächen zu vermitteln. Klingt machbar, wäre da nicht noch so viel mehr Teil der Aufgabe von Leitungspositionen – künstlerisch wie administrativ. Denn die liebevoll aufgebauten Netzwerke und zwischenmenschlichen Momente lassen sich nicht sequenzieren. Und wo wir schon beim Menschlichen sind: Solche Übergaben sind auch emotional nicht zu unterschätzen. Es gilt schließlich, das eigene Herzensprojekt in vermeintlich fremde Hände zu legen. Sich einzugestehen, dass man ersetzbar ist, ist für viele nicht selbstverständlich. Der Abschied von einer jahrelangen Arbeitsstelle stellt oft eine Zäsur im Leben dar; vielleicht haben manche gar ein wenig beruflichen Herzschmerz? All das sind jedoch Luxusprobleme. Was tun, wenn sich niemand findet? Woran könnte das liegen? Im Gespräch mit Andreas Neumayer, dem Geschäftsführer und künstlerischen Leiter des Jazzit Salzburg und Jürgen Vonbank, dem bald ‹Neuen› dort, bekommen wir Einblick in Übergaben, Neuanfänge, schnelles und langsames Verabschieden.
Vorlaufzeit ist Alles
Während wir im Garten des Jazzit die wenigen Sonnenstunden des tristen Salzburger Aprils genießen, wird schnell deutlich: Andreas Neumayer und Jürgen Vonbank wirken wie ein gut eingespieltes Team, von Übergabestress oder Sorgen keine Spur. Diese entspannte Atmosphäre ist einer gut und lange vorbereiteten Übergabe zu verdanken. Denn die erste Ausschreibung des Teams für die neue Geschäftsleitung erfolgte bereits vor 1,5 Jahren, was in vielerlei Hinsicht vernünftig ist. Das wirkt der Sorge entgegen, im Zuge der ersten Bewerbungswelle niemanden zu finden und zum anderen geht es auch, wie so oft, um Arbeitszeit und Geld. Eine Übergabe nach über 20 Jahren ist im Idealfall nichts, das zwischen Tür und
Angel stattfindet. Alle Beteiligten sollen auch ordentlich entlohnt werden. Für geförderte Betriebe bedeutet das, die temporäre Doppelbeschäftigung auch im Förderansuchen einzuplanen. Ideale Voraussetzungen also für Vonbank, doch diese Ausgangslage haben nicht alle, insbesondere regionalen Kultureinrichtungen fehle es bereits an den Neuen, wie Robert Wimmer von der Lungauer Kulturvereinigung im KULTradio mit Susanne Lipinski anmerkt: «Übergeben, nimmer leben». Damit könne man sich auf zweierlei beziehen, auf die Art der Übergabe, ob und wie eng die übergebende Person künftig involviert bleibt, aber eben auch auf ein Scheitern der Übergabe aufgrund von Personalnot. Die Lungauer Kulturvereinigung glaubt nicht an einen Rettungsanker vonseiten der Politik, sollte sich tatsächlich niemand finden und so haben sie einen anderen Weg gewählt: Der aktuelle künstlerische Leiter Wimmer geht in Altersteilzeit, was finanzielle Ressourcen freispielt. Für die nächsten Jahre wird so intern die Arbeit ein wenig umgeschichtet und im Idealfall findet sich aus dem Team heraus die neue Leitung.
Wissen bewahren, Neues zulassen
Das Schöne an Übergängen sind die neuen Denkräume, welche sich durch den noch frischen Blick von außen auftun und oftmals auch mit dem Generationenwechsel zusammenhängen. Die herausfordernde Seite stellt jedoch der drohende Verlust von Netzwerken und Wissen dar. Ähnlich wie bei der Lungauer Kulturvereinigung wird es auch im Jazzit mit dem Wechsel der Leitung Anfang Juli 2023 keinen harten Schnitt geben, denn sowohl der Vorstand als auch Neumayer selbst werden zumindest die nächsten ein, zwei Jahre weiterhin aktiv bleiben. Wenngleich es Vonbank ein Anliegen ist, mittelfristig mehr Diversität ins Vorstandsteam zu bringen, ist es ihm wichtig, dass zumindest in den ersten Jahren das Know-How des Vorstandes erhalten bleibt. Und auch Neumayer wird weiterhin für das im Jazzit angesiedelte Take the A-Train Festival und die Reihe Musik Salon verantwortlich bleiben. Mit dieser Lösung kann Vonbank nach drei intensiven Monaten des ‹Debriefing›, wie Übergaben im Management-Jargon genannt werden, weiterhin auf Rückendeckung des aktuellen Teams zählen.
Abschiede und Ausblick
Während andere Übergebende sich mit Tag X gänzlich verabschieden, wird Neumayer also weiterhin involviert bleiben, nur eben in einer neuen Rolle. Dieser Vorgang birgt sicher seine Herausforderungen und kann, weil es auch ein emotionaler Prozess ist, in einer Konfliktsituation enden. Für Neumayer ist klar, dass er künftig gerne und häufig zu Gast im Jazzit sein möchte. Er stehe zudem immer bereit zu unterstützen, von Aushifsdiensten an der Abendkasse bis hin zu inhaltlichen Fragen, aber es ist auch klar, dass er sich zurücknehmen wird, wenn er merkt, dass kein Bedarf besteht. Am Ende des Tages kommt es wohl auf eine ehrliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen den bestehenden und den neuen Akteur*innen an.
Und was wird im Jazzit unter Jürgen Vonbank anders? So manches, wie er auch mit Blick auf neue Strömungen im Jazz sagt, aber alles zu seiner Zeit. Erst gilt es, sich gut in bestehende Strukturen einzuarbeiten und dann Schritt für Schritt mit Fingerspitzengefühl und vorausschauend weiterzuarbeiten.