Wer putzt das kritische Museum?

Eine verschränkte Textcollage von maiz und das kollektiv.

Liebes Museum, du musst dich ändern: Reicht es aus, dich kritisch zu zeigen, ohne deine internen Machtstrukturen tatsächlich zu verändern?

das kollektiv & maiz

Obwohl maiz und das kollektiv über 30 Jahre Erfahrung in feministischem Arbeiten versammeln, wurden wir in die Entstehung und Umsetzung von What the Fem*? nicht involviert. Weiße, österreichische Kuratorinnen waren die Gatekeeperinnen und wir sollten in ein fertiges Ausstellungskonzept intervenieren. Dabei wären wir bloß 240 m vom Nordico entfernt gewesen.

«Wer putzt das kritische Museum?» ist keine rhetorische Frage. Die Reinigungsfrauen, die hauptsächlich Migrantinnen sind, kommen so früh oder so spät, dass sie nicht gesehen werden. Diese Frauen werden 240 m weiter bei uns ausgebildet. Es geht nicht oder zu selten um sie. Darum, ob diese Personen tatsächlich Zugang zu den Museen haben. Ob sie als Teammitglieder wahrgenommen werden.

Liebes Museum, wir fragen uns: Können wir uns dir gegenüber kritisch äußern, ohne vereinnahmt zu werden?

das kollektiv & maiz

Das war von Anfang an ein unmöglicher Anspruch. Letztlich konnten wir die Vereinnahmung nicht verhindern. Die Ausstellung war erfolgreich, bedeutete finanzielles, kulturelles und symbolisches Kapital für das Nordico Museum und damit letztlich die Stadt Linz. Die Verantwortlichen können sich heute – ohne die Strukturen verändert zu haben – auf die Schultern klopfen und sagen: Wir waren so kritisch und progressiv.

Liebes Museum, da fehlt etwas: Können wir Themen und Forderungen, die in der Ausstellung ausgeblendet werden, sichtbar machen, ohne vereinnahmt zu werden?

das kollektiv & maiz

Wir waren und sind mit einem Fuß drinnen und einem Fuß draußen. Es war wichtig, eine Diskussions- runde und Ausstellung in unseren eigenen Räumlichkeiten zu veranstalten. Wir wurden so buchstäblich zur Außen(seiter*innen)stelle gegenüber den Institu- tionen. Bei uns konnten wir Leerstellen des Museums füllen und die Schaufenster mit unserem Archivma- terial bespielen. Wir zeigen nun also – schon länger als die What the Fem*-Ausstellung lief – Ergebnisse unserer eigenen Projekte und Themen, die im Nordico fehlten: z. B. mit Valium Export eine Arbeit zum Zusammenhang von Migration und Depression.

Liebes Museum, wir vertrauen dir nicht: Können wir mit dir arbeiten, wenn du deine eigene Verstrickung mit hegemonialen Politiken und Ausbeutung marginalisierter Positionen / Körper nicht thematisiert?

das kollektiv & maiz

Das Museum gilt als Ort der Bildung. Aber für wen? An wen ist das adressiert? Es ist symbolisch, dass maiz z. B. wenig Platz in der Timeline der Ausstellung erhielt. Das Auslassen, das Ignorieren, die Ausschlüsse – das passiert immer wieder. Demgegenüber werden Schwarze, queere Körper, muslimische Frauen und Frauen, die Kopftuch tragen, als Tokens, als Alibi-Funktion, zur Vermarktung und zur Bereicherung weißer Privilegierter ausgestellt. Auch das hat Geschichte.

Liebes Museum, das passt nicht: Reicht es aus, sich feministisch zu zeigen, ohne die Arbeit der Künstler*innen zu honorieren?

das kollektiv & maiz

Wenn die Kuratorinnen der Ausstellung sich ausreichend mit intersektionaler Theorie auseinandergesetzt hätten, wenn intersektionale Theorie in ihre Praxis übergegangen wäre, dann hätte das alles nicht so an der Oberfläche gekratzt und wären zwei Sachen (nicht) passiert: Migrant*innen wären bei der Konzeption nicht ausgeschlossen worden. Und Künstler*innen wären für ihre Arbeit und nicht bloß ihre Produktionskosten bezahlt worden.

Liebes Museum, today is a good day for you to die.

das kollektiv & maiz

Museen sind historische, kolonialistische Institutionen. Wenn wir von der Zerstörung des Museums sprechen, meinen wir diese starren, alten und elitären Strukturen. Es geht darum, Reparationen zu leisten. Buchstäblich zu reparieren, was Kolonialisierung und Ausschlussmechanismen jahrhundertelang zerstörten. Diese Arbeit darf nicht erst recht wieder marginalisierten Personen oder Organisationen zufallen.

Ein neues, utopisches Museum muss von der Politik abgekoppelt sein. Es muss zugänglich sein. Menschen ansprechen, die nicht lesen und schreiben können. Wenn es ein Ort der Bildung ist, dann auch für alle. Nicht nur für die, die sowieso Machtpositionen in der Gesellschaft haben. Wir erwarten nicht, dass wir das Museum verändern. Aber Bewegungen, ein Aufrütteln durch unsere Kritik, das erwarten wir schon.

Kim Carrington sprach mit Katharina Serles über kolonialistische Museen, Tokenism und intersektionale Interventionen. Der vorliegende Text ist eine Verschränkung von Ideen, Fragen, Antworten und Textfragmenten aus dem Umfeld der Initiativen maiz und das kollektiv – u. a. von Letícia Carneiro, Zafinirina Ramansandratana ep Watteroth, Lia Kastiyo-Spinósa, Rubia Salgado und Adriana Torres Topaga. Er soll die anhaltende Diskussion, zu der JAAPO, maiz und das kollektiv unter dem Motto Black, Queer & Trans Radical Feminism – Decolonising the Nordico anlässlich der Ausstellung What the Fem*? (11. 11. 2022 bis 28. 05. 2023) einluden, umreißen und zum Weiterdenken einladen.

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