Von wegen „Restspiele“. Wie Kulturarbeit gemeinsam Regionen entwickelt

Initiative Kulturarbeit im ländlichen Raum und deren Potenzial für die Regionalentwicklung findet nicht nur innerhalb der KUPF seit einigen Jahren besondere Beachtung (vgl. Positionspapier April 2014).

Auch die Wissenschaft entdeckt dieses Themenfeld zusehends für sich und es entsteht ein stetig wachsender Pool an Online- und Zeitschriftenbeiträgen, akademischen Abschlussarbeiten und Sammelbänden, ohne dass jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem einheitlichen „State of the Art“ gesprochen werden kann.

Ein wichtiger Beitrag zur Etablierung eines Forschungsstandes ist deshalb die Textsammlung „Ab in die Provinz!“, herausgegeben von der an der Universität Salzburg forschenden Kulturmanagerin Siglinde Lang. Auf 150 Seiten bietet der Band lohnende Einblicke vor allem für Studierende und Forschende sowie für KulturarbeiterInnen, die sich in die Praxis ruraler Kulturinitiativen vertiefen wollen und dabei keine Angst vor einer Prise Theorie haben.

Der erste, analytisch gehaltene Abschnitt des Bandes gliedert sich in sechs Beiträge, an deren Beginn eine Kritik an der technischen Verwendung des Begriffs „ländlicher Raum“ als Restgröße (Nicht-Stadt) steht und ein konstruktivistischer Blick auf Raum als Resultat sozialer Praxis angeregt wird. Aus dieser Perspektive erklärt sich auch, dass Kulturarbeit hier vor allem partizipativ gedacht wird: Durch (v.a. zeitgenössische) Initiativen entstehen Räume für Kommunikation und Kollaboration, hier wird Bestehendes hinterfragt und dadurch Zukunft verhandelt. Zum Potenzial von Kulturarbeit für die Regionalentwicklung ist es in diesem Ansatz dann nur noch ein kleiner Denkschritt.

Diese theoretischen Überlegungen untermauern sollen die in Form von Interviews vorgestellten neun ruralen Kulturinitiativen im zweiten Abschnitt des Sammelbands. Dies gelingt, obwohl die Gespräche mit ProtagonistInnen lesenswert gestaltet sind, nicht uneingeschränkt. Es wird deutlich, dass das partizipative Potenzial von Initiativen häufig überschätzt wird und deren Erfolg oft vom Engagement Einzelner abhängt. Teilweise entsteht – evtl. durch die Auswahl der Fallbeispiele – der Eindruck, dass Kulturschaffende aus der Stadt der Landbevölkerung Kunst näherbringen müssten, damit es zur Entstehung von Initiativen kommt.

Trotz oder gerade wegen dieser kleineren Ungereimtheiten bildet „Ab in die Provinz!“ jedoch nicht nur einen wertvollen Impuls zur Auseinandersetzung mit „Ruralen Kunst- und Kulturinitiativen als Stätten kultureller Mitbestimmung“, sondern auch mit Konzepten von Kollaboration und Partizipation als Grundlage gesellschaftlicher Entwicklung.

Siglinde Lang (Hg.in), Ab in die Provinz! Rurale Kunst- und Kulturinitiativen als Stätten kultureller Mitbestimmung, mandelbaum wissenschaft, 2016, 978-3-85476-810-4.

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