Niemand fragt, warum. Die Landesregierung der Steiermark, die sich seit ihrer Wiederwahl im Herbst 2010 zur „Reformpartnerschaft“ gemausert hat, macht das Sparen zur Ideologie. Auch ihr Argument „Wir haben in den letzten Jahren über unsere Verhältnisse gelebt“ löst keine Fragen aus, wie zum Beispiel jene nach dem „Wir“. – Der politische Sprachgebrauch beschwört ein solidarisches „Wir“, eine demokratische Herausforderung, der sich „alle“ stellen müssen. Von Anita Hofer.
Was uns das Instrument der „Budgetsanierung“ verspricht, sind Innovation, Wachstum und Zukunft. Was es verhüllt, ist die Ausweitung des Verteilungskampfes, nicht nur zwischen den einzelnen politischen Ressorts, sondern zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen. Was es bringt, ist nicht der Ausgleich von rasant wachsenden Ungleichstellungen innerhalb der Gesellschaft, sondern die Verfestigung dieser. Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik sind dafür wesentliche Steuerungselemente. Sie sind die entscheidenden Machtmittel zur Gestaltung unserer politischen und gesellschaftlichen Ordnung, die gegenwärtig den Namen Soziale Krise trägt.
Für wen wird Kulturpolitik gemacht? 3 Beispiele, die zeigen, von welchem Gesellschaftsbild sich die Kulturpolitik leiten lässt und an wen sie ihre Angebote richtet:
1. Die Geldfrage Wertedifferenz mal zwei. Zum einen ist der Steiermark die Kultur knappe 1,5% des Landesbudgets wert. Im Ländervergleich nimmt sie damit den letzten Platz ein. Zum anderen wird mit einem Blick auf die einzelnen Bereiche der Kulturförderung klar, welche Wertedifferenz die Mittelvergabe schafft: 74% des Kulturbudgets fließen in die landeseigenen Kultureinrichtungen (Oper, Theater, Landesmuseum), aber nur 2% der Bevölkerung nutzen diese Einrichtungen. Der Rest der Bevölkerung von 98% darf sich damit zufrieden geben, was alle anderen Kultureinrichtungen mit schmalen 16% der öffentlichen Mittel auf die Beine stellen. Und anhand der Budgetentwicklung der letzten 5 Jahre wird deutlich, dass die kulturelle Ausgrenzung zunimmt: die Ausgaben für die 2% umfassende Interessensgruppe sind um 15% gestiegen, während sie für alle anderen Interessensgruppen um 10% gefallen sind. Diese katastrophal ungleiche Verteilung der Mittel für die verschiedenen kulturellen Interessensgruppen wird mit einer Budgetreduzierung von 25% keineswegs vermindert werden, denn Notwendigkeiten wie Strukturerhalt und Arbeitsplatzsicherung von rund 600 MitarbeiterInnen lassen bei den Landeseinrichtungen keinen großen Spielraum zu.
2. Die Arbeitsplatzfrage Auch hier ist der politische Gestaltungswille von einer deutlichen Wertedifferenz gekennzeichnet, denn was für Landeseinrichtungen gilt, gilt nicht für autonome Kulturinitiativen, deren 1800 MitarbeiterInnen keine Sicherheit haben, von den Budgetkürzungen nicht getroffen zu werden. Den Hinweis der Arbeitsplatzgefährdung durch Einsparungen in diesem Bereich kommentiert der Kulturlandesrat mit: „Ich bin nicht das Arbeitsmarktservice.“ – Derselbe ist aber als Wirtschaftslandesrat bereit, Förderungen in Millionenhöhe an Unternehmen auszuschütten, weil sie Arbeitsplätze sichern. Dazu gehört auch ein internationaler Konzern mit Standorten in der Steiermark, der stolz darauf ist, 2010 trotz Wirtschafts- und Finanzkrise einen operativen Gewinn von 866 Millionen Euro gemacht zu haben.
3. Die Inhaltsfrage Negation und Selektion Das kulturpolitische Credo „Die steirische Kunst und Kultur muss international wieder mehr Bedeutung kriegen“ offenbart 2 Strategien: einerseits die Negierung des bereits Vorhandenen und andererseits die Ausrichtung auf ein Zielpublikum, das sich dem internationalen Kunstgenuss verschrieben hat und kaum 1% der kulturinteressierten Menschen umfasst. Des Weiteren findet der Kulturlandesrat das Betreiben der Kulturschaffenden, die inhaltliche Diskussion mit der Budgetdiskussion zu ersetzen, sehr bedauerlich. Denn grundsätzlich vertraue er auf die Schaffenskraft der steirischen KünstlerInnen. “Mit viel Steuergeld können es alle, mit schlanken Ressourcen nur die wirklich Kreativen.“
Die Aufgaben der Kulturpolitik Wenn die gesellschaftliche Entwicklung der Kulturpolitik als Parameter dient, dann ist eine Fortführung der bisherigen Strategien nicht zielführend, weder für individuelle politische Ziele, noch für die Entwicklung der Gesellschaft im Allgemeinen. Angesichts der wachsenden ökonomischen, sozialen und kulturellen Ausgrenzungen und der damit verbundenen Verunsicherung von großen Teilen der Gesellschaft sollte sich die Kulturpolitik – wie andere Politikfelder auch – die Frage stellen, wie sie ihren sozialen Auftrag wieder erfüllen kann. Kulturschaffende können sich der Aufgabe widmen, Angebote für die unterschiedlichen kulturellen Interessensgruppen zu entwickeln, um damit gesellschaftliche Teilhabe u ermöglichen. Die Verantwortung der Kulturpolitik besteht hingegen darin, Rahmenbedingungen für eine Gegensteuerung ur vorherrschenden Ausgrenzungsmechanik zu schaffen, Rahmenbedingungen für die Reduzierung der Ungleichheiten und die Teilhabe aller an den gesellschaftlichen Errungenschaften. Eine Delegierung dieser Verantwortung an die Kulturschaffenden ist nicht möglich. Eine Zurückweisung dieser Verantwortung, ein Festhalten an der Verteilungsstruktur, die einen sehr kleinen Anteil der Bevölkerung favorisiert, birgt die Gefahr des Verlustes des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Das Misstrauen gegenüber der Politik als Gestalterin der Gesellschaft ist groß. Wenn sie keine Anstrengungen unternimmt, die soziale Fundierung der Demokratie vor dem Niedergang zu bewahren, ist nicht zuletzt das politische Ziel des Machterhaltes gefährdet.
Anita Hofer ist Künstlerin und Kulturarbeiterin in Graz
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Was in der Steiermark gerade passiert, ist kein regionales Phänomen, es ist nicht mehr als ein signifikantes Beispiel für einen konservativen Rollback, für den Niedergang der sozialen Fundierung der Demokratie, der schon vor Jahren begonnen hat.
Genug ist genug! Die Zivilgesellschaft formiert sich endlich zum Protest gegen ein Belastungspaket, das den ominösen Namen „Nulldefizit“ trägt. Der Widerstand braucht auch eure Unterstützung:
- Petitionen: www.petitiononline.com/IGkultur/petition. html
- Dokumentation über die bisherigen Aktionen und Pressespiegel: igkultursteiermark.at
AUFRUF DER PLATTFORM 25: Demonstration gegen das Landesbudget in Graz Freitag, 25. März 2011, 15:00-18:00 Treffpunkt: Südtirolerplatz
Die steirische Landesregierung ist entschlossen, im April ein Budget zu beschließen, das zu drastischen Kürzungen im Gesundheits-, Bildungs-, Sozial- und Kulturressort führen wird. Dabei haben viele Betroffene bereits einen hohen Preis für die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre zahlen müssen. Eine Debatte darüber wird erst gar nicht zugelassen, dabei treffen die geplanten 25 % Kürzungen gerade jene am härtesten, die auf eine Unterstützung durch die Politik am meisten angewiesen wären. Einige der geplanten bzw. bereits beschlossenen Maßnahmen umfassen: • Kürzung der Mittel für Menschen mit Behinderung • Einführung von Kindergartengebühren • Kürzung der Mittel in der Kinder- und Jugendarbeit und -wohlfahrt • Existenz bedrohende Kürzungen bei zahlreichen Sozial- und Kulturinitiativen • Wiedereinführung der Rückzahlungspflicht (Regress) für Angehörige bei Pflegekosten • Einführung des Regresses für Angehörige von EmpfängerInnen der Mindestsicherung • Massive Verschlechterung bei der Mindestsicherung gegenüber der Sozialhilfe
Während für Prestigeprojekte und medienwirksame Spektakel ohne mit der Wimper zu zucken riesige Summen ausgegeben werden, werden in anderen Bereichen langfristig tausende Arbeitsplätze vernichtet und Existenzen zerstört. Viele Steirerinnen und Steirer werden allein durch das Belastungspaket der Landesregierung in die Armut gedrängt. Geld ist genug da. Jenen etwas wegzunehmen, die sich am wenigsten wehren können, erfordert keinen Mut. Ein richtiger Schritt wäre es, endlich • von Eventpolitik, Prestigeprojekten und Konzernförderungen abzurücken und • eine sozial gerechte Besteuerung großer Vermögen und Finanztransaktionen einzufordern.
Tatsächlich gibt es in Österreich mehr Wohlstand als je zuvor, aber er ist immer ungerechter verteilt. Das ist keine bloße Meinung, sondern eine durch alle einschlägigen Statistiken und Studien wie dem regelmäßig erscheinenden Reichtumsund Armutsbericht bewiesene Tatsache. Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher steirischer Organisationen haben beschlossen, eine Plattform gegen diese Politik zu gründen. Wir rufen zu einer Demonstration in Graz am Freitag, 25. März 2011, auf, um in der Öffentlichkeit gegen diese Politik zu protestieren.