Wie können nachhaltige Dialoge zwischen Kunst und Kultur und den Kommunen gestaltet werden? Von Dominik Jellen.
Nachhaltigkeit
Oft wird postuliert, wie nachhaltig Kunst und Kultur an sich seien. Aber kreativer Eigensinn und Eigenwille können auch unsozial sein; manchmal muss das Kunstschaffen soziale und kulturelle Zusammenhänge aufreißen, um neue und vielleicht ‹wahrere› Perspektiven zu finden. (Kunst-)Entwicklung braucht Experiment, sie braucht Risiko, Spontaneität, manchmal auch das Nichtbedenken von Folgen: All das kann in manchen Fällen unvereinbar mit gesellschaftlicher Verantwortlichkeit und Nachhaltigkeit sein.
Die Einbeziehung ökologischer und / oder globaler Themen und die Verwendung entsprechend umweltfreundlicher und recycelbarer Materialien reichen nicht aus. Es geht vielmehr um die Erarbeitung anderer, neuer Handlungsräume. Wenn diese entwickelt werden, dann kann man mit einem gewissen Recht die Berücksichtigung von Kunst und Kultur als Faktor nachhaltiger Entwicklung einfordern.
Neue Handlungsräume entwerfen
Bei Festivals im ländlichen Raum werden häufig internationale Künstler*innen eingeladen, um in einer bestimmten Region zu arbeiten. So auch beim Supergau Festival im Lungau im Land Salzburg. Diese Prozesse werden häufig begleitet von stereotypen Vorstellungen über die Arbeit im ländlichen Raum als Gegenstück zu urbaner Kunst. Vor Ort entsteht dabei immerhin ein künstlerischer Handlungsraum. Was darin passiert, kann als Modell – auch für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen – gesehen werden.
Kultur in den ländlichen Kommunen kann einen spannenden Beitrag zur Bewahrung von historischer Bausubstanz oder des gemeinsamen kulturellen Erbes bedeuten. Dadurch, dass zum Beispiel alte Gebäude neu genutzt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden oder mit den örtlichen Chor- und Vereinswesen, mit Heimatmuseen und Heimatvereinen kooperiert wird. Manchmal möchte man den örtlichen Denkmalschutz verfluchen, der solche Nutzungen einschränkt, aber die Atmosphäre eines alten, geschichtsgeladenen Gebäudes ist durch funktionale Neubauten von offenen Kulturhäusern nicht zu ersetzen.
Ist dann das Supergau Festival vielleicht als sich temporär installierende «Versuchsanordnung» zu verstehen, also als ein Modellversuch?
Die Lungauer Landschaft wurde durch das Supergau Festival etwa zu einem temporären Kunstraum, der sich komplementär zu den bestehenden Kunsträumen einer Stadt entfaltet. Das Programm reichte von einer installativen Auseinandersetzung rund um das Kulturgut Prebersee bis zu wandernden Performanceformaten wie z. B. von Künstler*innen aus Indonesien. Solche Modellversuche von Kunst am Land stellen ein Feld zwischen Experiment und Kontinuität da: So notwendig es ist, Anreize zum Ausloten neuer Arbeitsfelder und Handlungsmodelle zu schaffen, so ungeheuerlich ist die Wegwerfmentalität nach Abschluss der Projektphasen. Langfristigkeit spielt häufig keine Rolle. Auch Kulturförderungen begünstigen diese nicht immer.
Denn oft wird ein schnelllebiger Eventcharakter bedient, mittel- bis langfristige Planung erschwert. Sinnvoll begonnene Entwicklungen können nicht fortgesetzt werden, weil Richtlinien und Gesetze entgegenstehen. Dies verhindert ein nachhaltiges After-Live der jeweiligen Arbeiten, wie sie auch schon in der ersten Ausgabe des Supergau Festival 2021 im Flachgau entstanden sind. Erarbeitete Konzepte wie Audiowalks wurden nicht fortgeführt, Installationen nicht permanent in Dorfzentren angesiedelt, Räume für Diskurse nicht gehalten.
Versuchsanordnungen für die Zukunft
Die Kulturwissenschaftlerin und Nachhaltigkeitsforscherin Hildegart Kurt statuierte bereits im Jahr 2000: «Was fehlt, sind Strukturen, die einen nicht nur punktuellen, sondern einen kontinuierlichen Dialog zwischen künstlerischen Gestaltungsmodi auf der einen und der querschnitthaften Suche nach einer zukunftsfähigen Moderne auf der anderen Seite inszenieren. An Schnittstellen zwischen dem Kunstfeld und den verschiedenen Lebenswelten müssen Rahmen entstehen, innerhalb derer über längere Zeiträume hinweg in künstlerischen und zugleich wissenschaftlichen und zugleich sozialen Versuchsanordnungen an einer Kulturalisierung der technischen Zivilisation gearbeitet wird.» (Kurt 2000: 118) Versuchsanordnungen brauchen einen Platz, an dem sie stabil installiert werden können, und sie brauchen Zeit, um wirklich entwicklungs- und aussagefähig zu sein. Ein alle zwei Jahre wiederkehrendes Festival in allen fünf Gauen des Salzburger Landes kann zu so einer Versuchsanordnung werden. Denn welche Räume wären dafür geeigneter, als die Kommunen, die Räume, in denen Menschen ihr individuelles, soziales und kulturelles Leben leben?
Foto: Conversation Pieces St. Leonhard Universität (c) Henry Schulz