Europäische Kulturpolitik?

Welche kulturpolitischen Maßnahmen setzt das Europäische Parlament? Gibt es eine gemeinsame Kulturpolitik der Mitgliedsländer der EU? Wie könnte es weitergehen? Europaabgeordneter Hannes Heide im Gespräch.

Welche kulturpolitischen Maßnahmen gibt es auf EU-Ebene?

Creative Europe ist das einzige Förderprogramm der EU, das sich ausschließlich mit Kultur beschäftigt. In der vergangenen Förderperiode war das jährliche Budget dafür allerdings nicht höher als die Betriebskosten der Pariser Oper. In einem Kraftakt des Kulturausschusses wurden die dafür vorgesehenen Mittel im Jahr 2022 um 100 Mio. Euro erhöht. Und es wurde erreicht, dass zumindest zwei Prozent des Corona-Hilfsfonds für Kultur reserviert sind. In der „Cultural Creators Group“ arbeite ich außerdem mit einer Gruppe Abgeordneter überfraktionell an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kultursektor. Der „European Status of the Artist“ soll die Anerkennung künstlerischer Ausbildungen, den vollen Zugang zu Sozialschutz, Arbeitslosengeld, Gesundheitsversorgung und Pensionen sichern.

Welche kulturpolitischen Steuerungsmöglichkeiten hat das EU-Parlament?

Ein starker Parlamentarismus in der Europäischen Union ist für die Kultur von großer Bedeutung. Das Parlament gibt den Rahmen und die Richtlinien für das vor, was in den Mitgliedsländern umgesetzt wird – zuletzt etwa im Bereich der Digitalisierung. Über die Verteilung der Gelder wird allerdings nicht in Brüssel entschieden, sondern in den Mitgliedsländern – im föderalen Österreich vor allem in den Bundesländern. Hier fordere ich Transparenz ein: Die Bürger*innen wissen oft gar nicht, dass in ihrer Gemeinde EU-Mittel zum Einsatz gekommen sind. 

Gibt es eine gemeinsame europäische Kulturpolitik?

Die Tatsache, dass der Kulturausschuss im Parlament dafür sorgen musste, wichtige Fonds ausgerechnet in der größten Krise für den Kunst- und Kreativsektor ausreichend zu finanzieren, zeigt, wie notwendig eine gemeinsame Kulturpolitik ist. Die könnte es dann geben, wenn in den Mitgliedsländern mehr über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut werden würde. Wer politisch gestalten möchte, sollte Kultur immer mitdenken – sei es im Tourismus, in der Stadt- und Regionalentwicklung oder bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Das kann nachhaltige Prozesse in Gang setzen und auch abseits des Mainstreams viel Wertschöpfung für die Regionen schaffen.

Was bräuchte es, um Kulturpolitik auf EU-Ebene effizienter zu betreiben?

Wenn wir uns in Europa kulturelle Vielfalt auf die Fahnen heften wollen, muss sich das auch in der Finanzierung widerspiegeln. Auch hier sind die Mitgliedsländer am Zug: Die Kulturpolitik in Österreich reduziert sich oft auf ein Sichern knapper Kulturbudgets. Der ständige Kampf gegen den Sparstift ist mühsam und schränkt kreatives Gestalten ein.  Österreich kann und muss mehr Investitionen aus den Europäischen Fonds der Kultur widmen. Vor allem im ländlichen Raum, um dort der Europaskepsis offensiv entgegenzuwirken.

Welche persönlichen Schwerpunkte haben Sie bisher gesetzt? Welche sind noch geplant?

Ich verstehe es als meinen Auftrag, die Kulturbudgets zu erhöhen und mehr Verständnis dafür zu schaffen, dass Kulturpolitik auch Bildungspolitik ist. Das möchte ich auch in den Richtlinien der Programme verankern. Im Kulturausschuss möchte ich die Inhalte und Ideen der Kulturhauptstädte weiterentwickeln in Richtung der Ziele des „Green New Deal“ für eine nachhaltige und wertschöpfende regionale Entwicklung. Als ehemaliger Bürgermeister [Anm.: von Bad Ischl] sehe ich Kultur als unverzichtbaren Faktor für die Stadt- und Regionalentwicklung. Bestehende Kulturstätten zu nutzen und neu zu beleben ist genauso notwendig, wie Neues zu denken und auch umzusetzen, um regionale Kultur und Brauchtum lebendig zu halten.


In der Reihe Über den Tellerrand erscheinen Beiträge zu Kulturpolitik und -praxis jenseits der (ober)österreichischen Landesgrenzen.

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