Editorial

Liebe Klimasünder*innen,

der erste isländische Gletscher ist geschmolzen und der Amazonas brennt. Wir stecken mitten in der Klimakatastrophe und verrennen uns doch in vereinzelnde Verzichtsdebatten. Wer ohne Plastiksackerl ist, nehme den nächsten Charterflug … Warum hören wir nicht überhaupt auf zu konsumieren? Wo sind die wahnwitzigen Ideen? Wo bleibt die radikale Systemkritik? Vorhang auf und Bühne frei für: ‹Klimakultur›.

Die Beiträger*innen unseres Herbst-Schwerpunkts sind sich einig: Gerade Kunst und Kultur können für die «Überwindung unserer imperialen Lebensweise» sensibilisieren und die «Kluft zwischen Wissen und Handeln» überwinden. Die notwendige Verknüpfung ökologischer Probleme mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Reformen und die eindringliche Vermittlung dieser Zusammenhänge wird nicht mit Hilfe der Naturwissenschaften allein gelingen. Es braucht einen fundamentalen Kulturwandel, Diskurskritik, feministische Ideen, offene Räume und ein «schöpferisches Wir».

Den Nährboden dafür schaffen einmal mehr Kunst, Kultur und Freie Szene – sei es durch künstlerischen Klimaaktivismus von Social Impact bis Time’s Up, Klimakunst auf der Biennale in Venedig oder Green Events. Auch die Ausrufung eines Solidaritätsnotstands und der Aufruf zu Masturbation oder ‹Die-In› könnten helfen. Der kulturelle Spielraum für Veränderung zeigt sich in der Bandbreite dieser Ausgabe.

Damit aber nicht genug. Zur Klimakrise hat sich in Oberösterreich eine veritable Kulturkrise gesellt: Die KUPF hat aufgedeckt, dass 2018 keine der versprochenen Rücklagen für von Kürzungen betroffene Kulturinitiativen eingesetzt wurden – und mehr noch, dass erfolgreiche Unternehmen Kulturförderungen für den Markenauftritt erhielten. Die Nachlese dazu wird ergänzt durch eine besonders kathartische Gnackwatsch’n.

Wie es um das Kulturklima im Land steht, ist einerseits auf den Seiten zu den österreichischen Bewerberinnen für die Europäische Kulturhauptstadt 2024 (Mitgegeben Spezial, #WTF? Kulturhauptstadt 2024, Wer wird das EU-Kultur-Mekka?, Europäische Magie), oder im Salzburg-Teil zu erfahren (Zweifel und Verantwortung, Baukulturelle Leitlinien, Stolpersteine in Salzburg, Die Sache mit dem Schrank). Und andererseits ist in der Heftmitte der Printausgabe eine Sonderbeilage der Freien Medien OÖ zu finden – gestaltet von Dorf TV gemeinsam mit Radio B138, Freies Radio Freistadt, Freies Radio Salzkammergut und Radio FRO –, die sich intensiv und kritisch mit den Existenz- und Produktionsbedingungen des nichtkommerziellen Rundfunks auseinandersetzt.

Apropos: Nicht nur das KUPFbüro erstrahlt seit der Sommerpause in neuem Glanz – auch eine unserer Kolumnen erhält einen Neuanstrich: Wir bedanken uns bei Netzkolumnist Leonhard Dobusch für seine pointierten Analysen und den langjährigen netzpolitischen Einsatz. Ab dem nächsten Heft wird Anna Goldenberg für ihn übernehmen – wir freuen uns über diesen Neuzugang!

Zurück zur Katastrophe biblischen Ausmaßes: Vergeben wir nichts und niemandem die wiederholte und systematische Klimasünde. Denn wir wissen, was wir tun.

Katharina Serles

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