Liebe Gleichzeitige,

Während wir dies gemeinsam mit ChatGPT schreiben, setzt unser Grafiker die letzten Artikel, warten wir auf Freigaben und Inserate, trudeln Mails ein, läuft das Radio und checken wir Twitter. Während Sie dies lesen, stehen Sie in der Kulturinstitution Ihres Vertrauens, sitzen Sie in der Straßenbahn auf dem Weg in die Arbeit, bellt ein Hund und ist der Call für die nächste KUPFzeitung bereits draußen. Alles muss immer schneller, am besten gleichzeitig oder vorgestern passieren. Da kann nicht einmal mehr die KI helfen (vielleicht verschlimmert sie es noch). Das blitzschnelle Jonglieren mit Aufgaben und Informationen ist zur Norm geworden, die ‹gleichzeitige Existenz› prägt nicht nur unseren Alltag, sondern auch unsere Kultur. Um all das zu verstehen, denken wir in Kategorien, die wiederum verschränkt sind, gleichzeitig gelten und ineinander greifen. Ausgrenzungsmechanismen und Privilegien wirken intersektional, beeinflussen sich gegenseitig, Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus etc. greifen ineinander.

In dieser Ausgabe möchten wir die Herausforderungen und Möglichkeiten untersuchen, die sich aus der Vielzahl an gleichzeitig stattfindenden Ereignissen und komplexen Zusammenhängen ergeben. Wie können wir – im Kunst- und Kulturbereich und generell in der Gesellschaft – konstruktiv und emanzipatorisch weiterkommen? Wie können wir intersektionale Perspektiven einnehmen, die die Komplexität, Vielfalt und Gleichzeitigkeit menschlicher Identitäten und Erfahrungen angemessen berücksichtigen und soziale Ungerechtigkeiten besser verstehen und angehen? Wie können wir involviert und konstruktiv kritisch sein und bleiben – auch wenn unterschiedliche Meinungen und Perspektiven aufeinandertreffen? Wie können wir Lücken adäquat markieren?

Elisabeth Mürzl fragt beispielsweise, ob unsere Kulturarbeit intersektional und politisch genug ist und ob wir tatsächlich alles gleichzeitig erreichen können / sollen (S. 5). Bernhard Frena verteidigt mit der Strukturarbeit jene Arbeit, die getan werden muss, damit andere Arbeit passieren kann (S. 28). Ein Gespräch mit Alice Erik Moe, Jaqueline Scheiber, Tamara Imlinger und Katja Frey wirft einen Blick auf Diversität in Kulturinitiativen (S. 6). AwA* gibt uns Einblicke in ihre Awarenessarbeit (S. 7) und Lisa-Viktoria Niederberger führt uns in die Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Sensitivity Readings ein (S. 9). Mit Das Kollektiv und maiz lernen wir, wie eine ungemütliche Intervention das kritische Museum ‹putzt› (S. 8). Jelena Gučanin ist nicht stolz auf Regenbogenfarben im Einkaufszentrum, wenn gleichzeitig Trans- und Queerfeindlichkeit zunimmt (S. 15). Auch geballt literarisch haben sich etwa Tamara Imlinger in ihrer neuen Minidramenkolumne (S. 12), eine Zeitungsente (S. 12) und Lydia Mittermayr (S. 13) mit Gleichzeitigkeiten auseinandergesetzt und warten vier tolle Bücher auf Leser*innen (S. 29).

Immer noch beschäftigt uns die Rolle von Künstlicher Intelligenz im Kulturbereich: Thomas Diesenreiter und Magdalena Reiter diskutieren die Möglichkeiten und Fallen von KI-generierten Förderanträgen (S. 11), während Kolleg*in ChatGPT die Bürokolumne verfasst (S. 23) und Edith Huemers Text über Veränderungen im Bildungsparadigma durch eine Kultur der Digitalität inspiriert (S. 10).

Im Salzburg-Teil untersucht Dominik Jellen Handlungsräume für Kunst am Land (S. 18), widmet sich Carmen Bayer dem Generationenwechsel in Kulturvereinen (S. 20) und reagieren Magdalena Stieb und Johannes Schwaninger (S. 21), sowie Leo und Verena Fellinger (S. 19) aus kulturpolitischer Sicht auf das Ergebnis der Salzburger Landtagswahl. Die Kulturhauptstadt-Reihe bringt mit Jakob Kinz’ Polemik bestimmt wieder Diskussionsstoff (S. 24).

Ab dieser Ausgabe erhalten wir regelmäßig Post von Alexander Fanta (S. 29), der als neuer Kolumnist für uns die Medienorgel bedienen und Netzexegese betreiben wird und mit (fragwürdigen) Nachrufen auf Wiener Zeitung und ZackZack loslegt.

Am besten alles nacheinander lesen! Die Redaktion und ChatGPT

Mit einem Comic von Stephan Gasser.

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