Dass es nicht „den Feminismus“ gibt, sondern verschiedene Strömungen mit unterschiedlichen und sich teils widersprechenden Schwerpunktsetzungen, gilt mittlerweile als Tatsache und kann immer wieder in (Online-)Grabenkämpfen und Shitstorms zwischen Vertreter*innen unterschiedlicher Richtungen beobachtet werden. Gut, dass es gleichzeitig Autor*innen gibt, die sich der Frage annehmen, wie „der Feminismus wieder feministischer werden könnte“ – so auch Sibel Schick. Die Grundkritik am weißen Feminismus ist, dass der gesellschaftliche Aufstieg privilegierter Frauen (in der Regel weiß, cis, hetero, ohne sichtbare Behinderung und nicht akut armutsgefährdet) nur durch die Ausbeutung marginalisierter Frauen möglich sei, etwa wenn diese als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden oder Care-Arbeit übernehmen. Dieser neoliberale „Girlboss-Feminismus“ erhält ein unterdrückerisches System am Leben, anstatt es zu zerschlagen, zeigt Schick auf. Wie weit unsere heutige Gesellschaft von wirklicher Gleichberechtigung entfernt ist, untersucht sie anhand mehrerer Schwerpunkte des intersektionalen Feminismus, wofür sie ähnlich einer Diskursanalyse neben Studien auch Medienberichte und Social-Media-Posts als Quellen heranzieht. Rassismus ist ein großes Thema, auch die Forderung nach einem Wahlrecht für Menschen ohne entsprechende Staatszugehörigkeit. Kapitel zu Reproduktions- und Sexarbeit, zu Klassismus und Transfeindlichkeit folgen und machen deutlich, wie verschiedene Diskriminierungsformen ineinandergreifen und wie weit viele Frauen und FLINTA von einer wirklichen Emanzipation entfernt sind. Ziel feministischer Bestrebungen, so Schick, sollte es daher nicht sein, dass eine privilegierte weibliche Minderheit Männer in Machtpositionen ablöst, sondern die Arbeitswelt und das Zusammenleben generell menschlicher und sozialer zu gestalten, z. B. durch Arbeitszeitverkürzung, bessere Löhne, eine Grundsicherung für alle, legale Einreise und ein Verbot von Ausbeutung. Weißen Feminismus canceln ist eine unangenehme, aber umso wichtigere Lektüre, sie macht betroffen und wütend über bestehende Ungerechtigkeiten. Ein guter Katalysator für notwendige Veränderungen.
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