Familienleben im Rampenlicht

Aussagen von Personen, die im Theater und anderen künstlerischen Bereich arbeiten und Care-Arbeit leisten, im handverlesenen Remix von Vera Ecser.
Du nimmst dir nicht einfach Pflegeurlaub. Das macht man einfach nicht. Die Branche, in der wir arbeiten, ist darauf angelegt, dass man sich mindestens zu 100 – 110 % verschreibt, einfach auch körperlich da ist, auf Premierenfeiern geht, Hände schüttelt und Kontakte macht. Man arbeitet besser mit Menschen, die sich keine Sorgen machen müssen, weil das Kind mit 40 Grad Fieber gerade ins Krankenhaus gebracht werden muss, dass es keine andere Betreuung gibt. Was ist die Position des Kindes in dieser Diskussion? Sie muss ja keine Kinder haben. „Frauenthema“ am Theater ist nicht nur Gender Pay Gap: Ab einem bestimmten Alter werden FLINTA-Personen nicht mehr auf der Büh- ne eingesetzt. Durch die Care-Arbeit, die sie leisten, haben sie viel weniger Möglichkeiten und Chancen, sich in der Karriere zu entwickeln.

Gegenüber Menschen, die auch Care-Arbeit leisten (wollen oder müssen), herrscht eine strukturelle Benachteiligung.
Meine Schwangerschaft wurde als Anlass genommen, die Zusammenarbeit zu überprüfen. Die fest vereinbarte, im Spielzeitbuch veröffentlichte Inszenierung, wurde ersatzlos abgesagt. Die Regisseurin hat ihr Kind verschwiegen – sie hat erzählt, dass sie auf einem Segeltörn war, als sie tatsächlich hochschwanger war, weil sie Angst hatte, dass sie keine Jobs mehr bekommen würde, wenn das bekannt wird. Sie muss ja nicht arbeiten. Mein Partner hat gesagt, wir können nicht beide Schauspieler*innen bleiben, es geht einfach nicht. Ich habe inzwischen den Job als Regisseurin aufgegeben und arbeite in der Verwaltung in einem Theater. Jetzt sind sie klein, jetzt müssen wir Zeit investieren. Ich habe die Bühne für mich auf Ruhemodus gestellt, um mir und meinen Kindern weiterhin gerecht zu werden. Geteilte Proben, abendliche Arbeitszeiten sind für im Theater- und Kulturbetrieb arbeitende Menschen selbstverständlich. Ich gebe mein Gehalt für Babysitter*innen aus. Um 16 Uhr am Nachmittag erfährt man, ob man am nächsten Tag proben muss oder nicht und ob man Zeit für die Kinder hat oder nicht. Es gibt eine fixe vierstündige Pause zwischen Probe und Vorstellung, in der alles erledigt werden muss: Kinder abholen, einkaufen, Kinder bei den Hausaufgaben begleiten, Babysitter*in organisieren, kochen und sich auch auf die Vorstellung vorbereiten.

Gegenüber Menschen, die auch Care-Arbeit leisten (wollen oder müssen), herrscht eine strukturelle Benachteiligung.
Man lässt sich in einer Stadt nieder, sucht Kindergarten und Schulen. Wird die Intendanz gewechselt, fängt man von vorne an. Alte Freundschaften und Familie sind an einem anderen Ort. Wie Zirkuskinder ziehen wir immer weiter und die Netze, die wir aufbauen konnten, werden mit einem Intendanzwechsel gekappt. Ich nehme, wenn es geht, die Kinder und den Partner mit. Mein Sohn war in sieben verschiedenen Städten in Kindergärten und Schulen. Ich durfte die Länge meiner Elternzeit nicht selbst auswählen. Die Intendanz wollte mich dazu zwingen, eine ganze Spielzeit zu pausieren, damit sie für die komplette Spielzeit jemanden als Ersatz einstellen konnten. Abends und am Wochenende zu arbeiten, wenn es keine Kinderbetreuung gibt, ist nicht einfach. Theater ist kein Kindergarten. Die Arbeitszeiten hast du doch vorher gewusst. Augen auf bei der Berufswahl. Warum war das Kind während Corona im Opernhaus?

Gegenüber Menschen, die auch Care-Arbeit leisten (wollen oder müssen), herrscht eine strukturelle Benachteiligung.
Ich konnte an einer Audition nicht teilnehmen, weil ich auf die Schnelle keine Betreuungsmöglichkeit gefunden habe. Ein anderer Termin oder das Einsenden eines Videos wurde kategorisch abgelehnt. Kein Wunder, dass viele Menschen ihren Beruf aufgeben, weil sie es nicht mehr schaffen. Es wäre ideal, einen Pool an Betreuungsmenschen zu haben, die es verstehen können, wie wir arbeiten. Stellen wir das Kind gleichberechtigt mit einer erwachsenen Person? Das Theater wurde nicht dafür erfunden, um eine Familie zu haben.

Quellen:
Podcast: FRO-Sonderprogramm Schäxpir: Talk Theater und Familie. cba.media/626487
Podcast: Kulturtransfer: Was? Ein zweites Kind? Das geht gar nicht. cba.media/630680
Podcast: Kulturtransfer: Es hört nicht auf, es geht nahtlos über. (Vorauss. April 2024.)
Belastungen, Bedürfnisse und Herausfordeungen von Bühnenmüttern — Eine Pilotstudie zur Lebenssituation von Bühnenkünstlerinnen mit Kindern. tinyurl.com/ buehnenmuetter

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