Realistisch träumen auf Augenhöhe.

Katharina Spanlang und Otto Tremetzberger im Austausch über die Frage, was Care-Arbeit im Kontext des Festival der Regionen bedeutet.

Otto Tremetzberger: Es gibt diesen Anspruch des Festivals aus den 1990er Jahren, „eine Region anhand der Melodien ihrer eigenen Widersprüche zum Klingen bringen“. Das klingt schön. Bedeutet aber überspitzt: Wir, die Festivalverantwortlichen, sagen wo bei euch „draußen am Land“ der Schuh drückt.

Katharina Spanlang: Für mich stellt sich hier sehr stark die Frage des ‚Wie‘, nicht nur des ‚Was‘. Als Beispiel: Das Festival hat sich in seiner Geschichte immer schon erlaubt, mit einem Thema bewusst Impulse zu setzen. Idealerweise wird dieser Impuls auf Augenhöhe und liebevoll, gemeinsam mit lokalen, überregionalen und internationalen Künstler*innen und Interessierten erforscht und verhandelt. Die Haltung der Akteur*innen zu- einander muss passen, dann kann ein Thema – und das Festival an sich – als Geschenk für die Region, die Künstler*innen und Kulturbegeisterten gesehen werden. Dabei muss jedoch Raum bleiben, die vorhandenen Strukturen, aber auch sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Das braucht Ressourcen.

Otto Tremetzberger: Die Herausforderung besteht darin, die eigenen und die Erwartungen aus der Region mit unseren zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Am Ende bleiben von 300 Ideen 30, die umgesetzt werden können. Letztlich müssen auch wir als Festival bei unseren Träumen realistisch bleiben.

Katharina Spanlang: Ich persönlich bin ja lieber idealistisch als realistisch. Es gäbe eine Fül le an Themen, um die wir uns als Festival „kümmern“ könnten. Bei den vielen sehr guten Einreichungen machen sich neue Welten auf. Und gleichzeitig gibt es einige Personen(-gruppen), die unsere Ausschreibung und das Festival an sich wahrscheinlich nicht erreicht, und um die wir uns noch zu wenig gekümmert haben. Die Ausschreibung und vor Allem die Community-Arbeit vor Ort sind wichtige Instrumente, um inklusiver zu werden. Aber auch in anderen Bereichen des Festivals müssen sich langfristig Care-Strukturen etablieren. Zum Beispiel sollte in Budgets von Kunst- und Kultur-Projekten prinzipiell Kinderbetreuung für betreuungspflichtige Künstler*innen, Kultur- arbeiter*innen und Publikum mitgedacht werden. Wen sollten wir 2025 deiner Meinung nach nicht vergessen?

Otto Tremetzberger: Die nächste Generation vor Ort. Die kritischen Geister, die engagierten jungen Leute, die nicht unbedingt in den klassischen Kulturmilieus abhängen. Die schon etwas machen würden, wenn man sie lässt. Die dann vielleicht sagen: Aha! Da kommt ein Festival mit Projektbudget, ich zettle was an, das es bei uns in Braunau so noch nicht gibt. Und im nächsten Schritt überlegen die Personen vielleicht, ob sie später nach Wien oder Linz ziehen oder doch in der Region bleiben. Das wäre schön. In den 1990er Jahren waren es übrigens nicht wenige junge engagierte Leute aus dem Innviertel, die kulturpolitisch viel bewegt ha- ben, sogar über das Innviertel hinaus und das, was wir als ‚Freie Szene‘ bezeichnen, prägten. Ich denke zum Beispiel an den Kulturpolitischen Aschermittwoch. Wie so oft geht es um die Frage: Wo und wer ist die nächste Generation?


Das Festival der Regionen findet seit 1993 biennal in Oberösterreich statt. Das nächste Mal vom 13. bis 22. Juni 2025 im Innviertel (OÖ), mit dem Hauptaugenmerk auf Braunau am Inn als Festivalort. Zum Thema Realistische Träume werden Projekte, neue Verbindungen, Narrativen und Utopien von Künstler*innen, Kulturinitiativen und Menschen mit kulturellem, sozialem und politischem Engagement gesucht. Einreichen ist bis 30. April 2024 möglich. fdr.at

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