Diskurszerstörung

„Unser Ziel ist keine Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, wir wollen nicht mitreden, sondern eine andere Sprache.“ – Das liest sich wie ein Satz aus einem dystopischen Roman. Das ist durchsichtig. Und gefährlich. ‚Konsens‘ im Zusammenhang mit ‚Diskurs‘ – ob mit Habermas, Foucault oder Lyotard gelesen – heißt keinesfalls von vornherein inhaltliche Homogenität und Einigkeit, sondern letztlich nicht viel mehr, als dass er stattfinden kann, weil ein prinzipielles Einverständnis herrscht. Einverständnis über seine Mittel (Sprache, Sachlichkeit, Argumentation) und seinen Zweck (Teilhabe, Verständnis, potentielle Einigung). Wer das nicht möchte, möchte – ja, was denn? Verwirrung. Chaos. Terror. Zerstörung. Die ‚andere Sprache‘ wäre also die sich selbst zerstörende Sprache. Das Ende der Sprache. Gruselig.

Die (zitierte) Rede ist von der sogenannten Neuen Rechten, in deren vermeintlich innovativen Hülle doch nur der altbekannte Rechtsextremismus steckt. Sie sagt „Man wird doch noch einmal sagen dürfen“ und meint ‚das Ende des Diskurses‘. Sie sagt „Leitkultur“, „Kunstaktion“ und „ästhetische Intervention“ und meint ‚Rasse‘, ‚Volksseele‘, ‚Hass‘, ‚Hetze‘ und ‚Gewalt‘. Sie ästhetisiert ihr (anti)politisches Handeln, gibt sich – Popkultur zitierend – zugänglich und streichelweich und schreibt sich wortreiche ‚Kulturleitbilder‘, die die „Liebe zum Eigenen“ beschwören, das als „ethnokulturelle[s] Erbe[]“ (sprich ‚Erbgut‘) biologisch determiniert ist. ‚Kultur‘ also als das Gegenteil von dem, was sie im weitesten Sinn ist: Gemachtheit.

Das verdient eine ausgemachte Gnackwatsch’n aus der Kulturszene – und zwar eine ganz fiese, kalkulierte. Eine, die ordentlich schmerzt, aber sich nicht auf weiteren Schlagabtausch einlässt. Eine, die sitzt und nicht abklingt, aber keine Bühne bietet. Denn unser Ziel ist keine Beteiligung an der Diskurszerstörung.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir den Begriff der ‚Kulturschaffenden‘ nicht mehr verwenden dürfen. Je zerstörerischer mit ‚unseren‘ Begriffen, ‚unserer‘ Sprache, ‚unseren‘ Diskursen umgegangen wird, umso genauer müssen wir hinschauen, umso ernst- und gewissenhafter müssen wir uns die Worte auf der Zunge zergehen lassen, bevor wir sie aussprechen oder ausschreiben. Denn es geht um nichts weniger als alles.

Zum Gendern:
Besagte Gnackwatsch’n müsste übrigens höchst aggressiv gegendert daherkommen. Am Besten mit allen dafür zur Verfügung stehenden Mitteln: Ihr Diskurszerstörer*_:’!?înnen!

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