„Der Platz des Hundes“ Ein mehr als gelungenes Debüt von Anna Weidenholzer, findet Norbert Trawöger
Es gibt Möglichkeiten und es sind viele, steht im Klappentext von Anna Weidenholzers Debütbuch „Der Platz des Hundes“, das im Mitter-Verlag im Herbst 2010 erschienen ist. Augenscheinlich wird sogleich die feine Buchgestaltung, die eine Grundeigenschaft der Mitter-Bücher ist. Von raffiniert stiller Feinheit ist auch Weidenholzers Erstling. Acht nicht per se korrespondierende Erzählungen versammeln sich hier im großräumigen Gelände einer Kleinstadt. Nicht aber der gemeinsame Schauplatz ist das vordergründig Verbindende. Es gibt die Möglichkeit, die Wände des nicht offensichtlich Versteckten zu überschreiten. Nie laut, sanft, beinah nüchtern und frei von jeglichem Pathos ermöglicht Anna Weidenholzer diesen Wänden unsichtbar zu werden um auf Menschen zu treffen, die Du und Ich sein könnten: Menschen, die wir vielleicht sogar kennen sollten, und von deren Möglichkeiten wir doch nichts wissen (wollten). Bis uns die Autorin in Bedachtsamkeit an und in diese unspektakulären Lebensräume hineinführt, immer die poetische Distanz wahrend und doch mittendrin. Siri sammelt Haare, fixiert sie mit Tixostreifen. „Leopold wird zuerst leise sprechen und dann, von Zeit zu Zeit, seine Stimme lauter werden lassen. Er wird sich vorher noch versichert haben, dass die Motten aufmerksam sind, ehe er beginnt, zu erzählen.“ Ferdinand ist seit dreiundzwanzig Jahren Schulwart und kennt einfache Redewendungen in neun Sprachen. „Hallo. Guten Morgen. Bis bald. Schönes Wochenende. Nicht laufen. Wie geht es dir. Was ist passiert.“ Und muss im Auftrag des Schuldirektors die Hausschuhpflicht überwachen, an die er sich selbst nicht hält. Weidenholzer mäandert in den Möglichkeiten „einfacher“ Persönlichkeiten. Behutsam schreitet sie ihre Einsamkeiten – das vielleicht Verbindende aller Protagonisten – ab und vermag einen heimlichen Sog zu entwickeln, der einen an seine eigenen Ränder wirft, die man aber nie im Leben preisgeben würde. Weidenholzer tut dies genau so wenig voyeuristisch, wie diese Erzählungen Geschichten verhandeln. Dichte Atmosphären des Daseins werden chronistisch verzeichnet, ohne Zeitabläufen zu folgen. Hinein in die verborgen brodelnden Abstellräume menschlicher Eigenheiten bewegen sich diese Erzählungen: Tomaten am Grab des verstorbenen Mannes pflanzen, um ihm nahe sein zu können. Entschieden wird, was entschieden wird, und auch das, was nicht entschieden wird. Leben an, um, in und neben seinen Möglichkeiten, seltener mit. Ein mehr als gelungenes Debüt!
Anna Weidenholzer „Der Platz des Hundes“ Erzählungen, Mitter Verlag, 2010 108 Seiten , € 18,70
Norbert Trawöger ist spielender, lehrender und schreibender Musiker